Essen. . Kriegskind, Bergmann und Familienmensch: Leo Abel hat ein Buch über sein Leben geschrieben, in dem er beruflich Ausbildungsleiter auf Zollverein war. Das Werk ist eine emotionale Erzählung und Zeitdokument zugleich.

Sein Leben auf knapp 400 Seiten stellt Leo Abel vor: Er hat Privates, Kriegsjahre und die Arbeit als Bergmann zusammengefasst zu einer autobiografischen Erzählung, die jetzt erschienen ist.

Als der Krieg ausbrach, war Leo Abel sechs Jahre alt. Er erinnert sich an seinen jüdischen Freund Achim, den die Kindergärtnerinnen in einem Bollerwagen versteckten. Das war 1942. Den Kindern erklärten die Frauen das als Spiel. „Die Generation 1933 hat ganz schön was in die Wiege gelegt bekommen“, sagt der 80-Jährige heute und meint den Nationalsozialismus.

Leo Abel hat das politische Geschehen aufgeschrieben, hat seinen beruflichen Werdegang als Bergmann hinzugefügt und die Erzählung mit seiner Familiengeschichte ergänzt. Entstanden sind so 367 Seiten, emotionale und historische Passagen. Es ist sein Leben und ein Stück Zeitgeschichte aus dem Ruhrgebiet und aus Essen: „Ich in meiner Zeit – Nicht besiegt, sondern befreit!“ lautet der Titel seines Buches.

Ein Stück Zeitgeschichte

Angeregt hat das seine Frau Gertrud, mit der er in zweiter Ehe verheiratet ist. Immer wenn er von früher erzählte, sagte sie: „Du musst das aufschreiben.“ Sie besuchten da schon die Schreibwerkstatt in ihrer neuen Heimat Bad Sassendorf, sein Interesse war längst geweckt. Stehen doch bereits vier seiner Bücher in Leder gebunden im Regal: Ahnenforschung, die Leo Abel seit Jahren leidenschaftlich betreibt. Er hat bis heute die Spuren von 5800 Menschen verfolgt. Begonnen hat er damit im Alter von 58 mit dem Eintritt in den Ruhestand. Elf Semester mittelalterliche Geschichte und Philosophie studierte er dafür an der Gesamthochschule Essen, pflegte gleichzeitig seine erkrankte Frau.

Leo Abel ist Vater von sechs Kindern. Er selbst war 14 Jahre alt, als er seine Ausbildung im Bergbau begann, fuhr zwei Jahre später das erste Mal unter Tage ein. Als Bergknappe war er unter anderem im Schacht Kronprinz in Schönebeck beschäftigt, lebte erst im Ledigenheim und zog mit 18 Jahren als Kostgänger mit Kumpel Willi bei einer Witwe ein. Die versorgte sie nicht nur mit Essen, „sondern verscheuchte auch alle Mädchen mit ihrem Krückmann“, erzählt der 80-Jährige schmunzelnd. Seine Frau war zum Glück nicht darunter, mit ihr zog er 1955 an die Körnerstraße in Essen-West. Es war eine Zweizimmer-Neubauwohnung, das Ersparte reichte für Gardinen und Lampen und für die Einrichtung des Schlafzimmers. Sie waren glücklich. Doch Leo Abel verschweigt seine Tiefpunkte nicht, den Tod seiner ersten Frau und den seines ältesten Sohnes mit 52 Jahren.

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Beruflich führte der Weg ihn 1957 nach Altendorf: „Meine erste Anstellung als Grubensteiger folgte auf der Zeche Hagenbeck“, schreibt Leo Abel. Zehn Jahre später wurde er als Förder- und Transportingenieur zur Hauptschachtanlage Ma-thias Stinnes in Karnap verlegt. „Hier startete überhaupt erst meine Karriere vom Reviersteiger zum Fahrsteiger und zum Obersteiger.“

Mädchen im Männerberuf

Anfang der 1980er wurde er Betriebs- und Ausbildungsleiter in der Zentralwerkstatt Zollverein 4/11. Dorthin kam er als seine Diagnose mit 49 Jahren lautete: beginnende Staublunge. Nun warteten 500 Auszubildende auf ihn, der sagt: „Besonders stolz bin ich, Mädchen in Männerberufe gebracht zu haben.“ Als Leo Abel in den vorgezogenen Ruhestand ging, schrieb die WAZ: „Durch seinen persönlichen Einsatz konnten 50 Ausbildungsplätze für Mädchen in gewerblich-technischen Berufen geschaffen werden.“

„Das Beste ist, dass mein Mann mit 80 Jahren geschafft hat, das alles aufzuschreiben“, sagt seine Frau heute stolz. Der arbeitet derweil am nächsten Buch, füllt dafür die Ahnenforschung mit Leben. Die ersten 100 Seiten sind fertig, sagt Leo Abel – der übrigens von seinem Freund Achim nie wieder etwas gehört hat.