Stoppenberg. .

Er kannte die beiden Gesichter der Zeche Zollverein wie kaum ein anderer – und jeder kannte ihn. Vor der Stilllegung des Bergwerks arbeitete Joachim Seifert 26 Jahre lang als Ingenieur auf den Schachtanlagen 6/9, XII und 3/7/10. Danach führte er über eine fast ebenso lange Zeitstrecke Besucher durch seinen ehemaligen Arbeitsplatz. Die Gäste können ihn jetzt nicht mehr erleben. Jochen Seifert ist tot.

Für die neuen Zollvereiner, die seit den 1990er Jahren antraten, die stillgelegte Zeche neu zu beleben, war er unersetzlich, Er war eine wichtige Verbindung in die Vergangenheit. Joachim Seifert gehörte zum alten wie zum neuen Zollverein. Eingeheiratet hat der gebürtige Elberfelder, der in Haarzopf aufwuchs, in eine Familiendynastie von Zollvereinern: Sein Schwiegervater war Bergmann auf Zollverein, wie dessen Vater seit 1864, wie er sagte. Er führte die Linie weiter in eine neue Zeit des Besucherbergwerks.

Seiferts Leben mit Zollverein begann 1956: „Sie können morgen sofort anfangen“, hieß es. Joachim Seifert wusste, dass man gutes Geld verdiente im Bergbau und man einen Anspruch auf Wohnraum hatte. Der war damals knapp. So begann er als Maschinenschlosser unter Tage.

Die Tätigkeit in 600 Meter Tiefe war nicht seine Sache. Nach einem Zwischenfall, bei dem er kurze Zeit eingeschlossen war, beschloss er: Unter Tage muss schnell Schluss sein. Aber das bedeutete nicht sein Ende auf Zollverein. Nach einem Studium war er fortan als Ingenieur über Tage im Einsatz und arbeitete unter anderem im technischen Büro der Stoppenberger Zeche.

Als es sich in den 1980er Jahren immer deutlicher abzeichnete, dass Essens letzte Zeche bald schließen würde, wechselte Seifert zunächst zur Zeche Nordstern, dann zur Zeche Westerholt. „Man muss immer wissen, wann man zu gehen hat“, sagte er dazu später. 1992 kam sein Ruhestand – eben zu einer Zeit als auf Zollverein gerade das zweite Leben begann.

Joachim Seifert gehörte zu den wenigen „Ehemaligen“, die der neuen Entwicklung nicht den Rücken zukehrten, sondern er sah die Chance, dort etwas Zukunftsweisendes zu tun. Tatkräftig half er, ein Aktenarchiv aufzubauen. Er übernahm für die Landesentwicklungsgesellschaft NRW, neue Eigentümerin von Zollverein Schacht XII, technische und administrative Aufgaben.

Leidenschaftlich gern führte er Besucher. Er erklärte die Zeche, schilderte die Arbeitsbedingungen unter wie über Tage. Viele Tausend Besucher begleiteten ihn. Von ihm erfuhren Schüler, Touristen, Manager, Journalisten und Bundespräsidenten, was Bergbau eigentlich bedeutete. In seiner kurzen, prägnanten Art erzählte er von der Arbeit, erklärte die Technik – so dass man sie verstand – und sparte dabei nicht mit Anekdoten. So wusste er, wie aus Fettkohle Margarine gemacht wurde und dass in den Rohrleitungen der Sieberei Kaulquappen gezüchtet wurden.