Essen. Vom Leinpfad zweigt ein verwunschenes Stück Überruhr ab: Das Wichteltal hat Zechen-Reste, Urwälder und eine Kapelle zu bieten. Und auf der Höhe gibt's dann auch noch einen schönen Park.
Vorbei gefahren ist hier jeder passionierte Essener Radler schon oft, und vielleicht hat der eine oder andere kurz überlegt, dem Schild „Friedenskapelle“ zu folgen - um dann wohl meistens doch auf dem Ruhrradweg zu bleiben. Aber der kleine Abstecher an der alten Leinpfad-Brücke in das uralte Bergbaugebiet Wichteltal lohnt sich. Und man kann bei der Gelegenheit gleich noch den landschaftlich schönsten Teil von Überruhr entdecken.
Doch der Reihe nach. Von Steele fährt man an der Ruhr Richtung Hattingen und stößt nach ein, zwei Kilometern auf ein wunderschönes Technik-Denkmal. Mögen Radler über das grobe Kopfsteinpflaster fluchen, die Tatsache, dass es hier seit über 200 Jahren liegt und seit 1838 auch die Bogenbrücke existiert, sollte Respekt einflößen. Immerhin handelt sich um ein Stück des originalen Leinpfads. Heute dienen die Wege an der Ruhr der Erholung, früher zogen auf ihnen Treidler mit Pferde- und Muskelkraft die Transportschiffe flussaufwärts - eine elende Plackerei. Die Brücke überspannt das Becken des Holteyer Hafens, der den Kohle-Schiffen als Sicherheitshafen bei Unwettern, Niedrig- oder Hochwasser und bei Vereisung diente. Von den 1880 stillgelegten Anlagen ist nichts erhalten, aber das Becken gibt es noch. Es wirkt heute dank des üppigen Uferbewuchses wie ein großer Teich.
Hier zweigt also das Wichteltal ab, im Grunde ein etwas verwunschener Teilabschnitt des Ruhrtals mit frühindustrieller Vergangenheit. Der frühe Bergbau ist entlang der Ruhr nie weit weg, wenn auch die Natur - anders als im Norden - inzwischen gnädig so gut wie alle Wunden verdeckt hat.
Schon nach wenigen 100 Metern stößt man im Wichteltal auf die für solche Gegenden typische Szenerie: Zechen-Reste, Urwald-Streifen, alte Mauern, Kleintierhaltung und Kötterhäuser aus solidem Ruhrstandstein, die heute hübsch saniert sind und in denen früher vermutlich Kumpels der längst vergessenen Zechen Mönkhoffsbank und Vereinige Charlotte lebten. Die Mönkhoffstraße, die zur Friedenskapelle und hoch nach Überruhr führt, lässt man zunächst rechts liegen und vertraut sich weiter dem Wander- und Radweg Wichteltal an. Die Bürgerschaft Überruhr hat Hinweistafeln aufgestellt, die aufklären, wo der flüchtige Blick ratlos zurücklässt.
Nach Lust und Laune kehrt man um und strampelt hoch zur 1961 gebauten Kapelle, die tagsüber geöffnet ist, einen Kreuzweg hat und wie alle Orte dieser Art eine gewisse Magie entfaltet - egal, ob man nun religiös ist oder nicht. Ein schöner Höhenweg zweigt vom Gotteshaus ab Richtung Ludwig-Kessing-Park, sozusagen der Stadtpark von Überruhr. Auf dem Weg hart an der Ruhrhöhenkante hat man wieder mal Gelegenheit einiges zu bedauern. Was könnte hier für ein Ausblick sein, wenn ab und zu die Säge zum Einsatz käme. Alte Bilder auf den Info-Tafeln der Bürgerschaft zeigen die begnadete Lage über dem Ruhrtal, die man im Park selbst nur erahnen kann. Eine gute Idee übrigens, die Grünanlage nach einem dichtenden Bergmann zu benennen. Der historische Bergbau macht Überruhr und das Wichteltal zu einem besonderen Ort. Auch wenn man es wissen muss um es zu sehen.
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