Essen. Der verregnete Mai und der warme Juli sorgen derzeit für gute Erträge bei der Getreideernte. Fast täglich sind die Essener Bauern auf den Feldern. Wenn das Wetter stimmt, muss alles ganz schnell gehen – denn der nächste Regen kommt bestimmt. Der stark gesunkene Getreidepreis trübt jedoch die Stimmung und die Bauern fürchten sich vor Unwetter und Hagelschauern.
Seit gut zwei Wochen fahren die Landwirte mit ihren Mähdreschern über die reifen Felder und bringen tonnenweise Gerste und Raps zu den Höfen. Während so mancher Stadtmensch über zu viel Hitze klagt, freuen sich die Bauern in Leithe, Kettwig und andernorts über jeden einzelnen Sonnenstrahl. Der nächste Regen kommt bestimmt – daher gilt es die Trockenzeit zu nutzen.
Landwirt Christoph Ridder ist mit den Erträgen bislang sehr zufrieden – ganz im Gegensatz zum vorherigen Jahr und verweist auf eine alte Weisheit aus dem Bauernkalender für den 25. Juli: „Um Jacobi heiß und trocken, kann der Bauersmann frohlocken.“ Die Sonne könne dem Getreide jetzt nichts mehr anhaben, gefährlich sei vielmehr ein Wetterumschwung, so Ridder, der als Vorsitzender die Kreisbauernschaften in den Ruhrstädten vertritt.
„Die Erträge sind gut. Allerdings könnte es zu gegebener Zeit schon ein bisschen regnen. Für den Mais wäre das wichtig, aber auch für die Erdbeerpflanzen und natürlich die Böden“, so der Bauer aus Leithe. Einen Grund für echte Klagen gibt es dann allerdings doch: Der Preis für Gerste liegt 30 Prozent unter dem Vorjahreswert und wird nach Ansicht der Landwirtschaftskammer NRW weiter sinken. „Die Versorgungslage ist gut und zwar in allen großen Exportgebieten. Letztes Jahr gab es etwa in den USA einige Engpässe durch Regen, dementsprechend höher war auch der Preis“, erklärt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer. Durch die bereits jetzt sichtbar guten Ernten in einigen Schwarzmeerländern könnte der Preis weiter fallen.
Landesweit 500.000 Hektar Getreide
„Auch bei uns in NRW läuft die Ernte momentan auf vollen Touren. Auf 500.000 Hektar wird Getreide angebaut, das sind ungefähr die Hälfte aller Ackerflächen,“ bilanziert Rüb und ergänzt: „Dank des Sommerwetters sind die Erwartungen landesweit gut. Ein Grund dafür ist, dass es im Mai ausreichend geregnet hat – nämlich dann, wenn das Getreide den höchsten Wasserbedarf hat.“ Niedrige Temperaturen im gleichen Zeitraum hätten zudem Schädlingen und Krankheiten das Leben schwer gemacht. Rüb präsentiert dazu passend eine weitere Bauernweisheit: „Mai kühl und nass, füllt dem Bauer Scheun’ und Fass.“
Die Sommerhitze sei dem Getreide egal, so der Verbandssprecher, aber Mais und Kartoffeln fehle dadurch Flüssigkeit „Kartoffeln bestehen zu 70 Prozent aus Wasser. Bislang ist das aber alles nicht dramatisch.“ In den kommenden Tagen stehen Raps und Weizen auf dem Programm.
Weitere Sonnenstunden abgewartet
Die Bauern in Essen haben noch ein paar Tage gewartet, um den Pflanzen einige weitere Sonnenstunden zu gönnen. Seit Montag sind wieder alle Fahrzeuge auf den Feldern. Die größte Gefahr gehe jetzt von Hagel und Sturm aus, sagt Bernhard Rüb. „Wenn es in den Raps reinhagelt, können die Schoten platzen. In der Vergangenheit gab es dadurch teilweise sehr hohe Ausfälle.“
Auch Hans Wortberg ist noch etwas skeptisch. Vor zwei Jahren hat der Landwirt aus Kettwig rund 60 Prozent seiner Raps-Produktion durch Hagelschlag verloren – im Jahr davor das gleiche Szenario beim Getreide. „Wenn die Pflanzen richtig reif sind, haben die Hagelkörner leichtes Spiel.“ Ernten wollte er aber trotzdem nicht vorzeitig, der Raps sollte erst richtig reifen. „Durch den langen Winter, sind wir in diesem Jahr 14 Tage hinter dem Zeitplan. Wir werden also auch erst zwei Wochen später fertig,“ erzählt Wortberg. Im Grunde, so der Getreidebauer, bräuchte man jetzt noch zwei Wochen besten Sonnenschein.
Landwirte stehen in den Startlöchern
Wann genau er mit seinen Maschinen losfährt, dass weiß er im Vorfeld häufig nicht genau. In der vergangenen Woche hat er seine Felder ruhen lassen – damit sie trocknen. „Wir müssen uns nun mal an das Wetter halten. Wenn die Sonne sonntags scheint und wir dann über die Straßen tuckern, dann tun wir das ja nicht, um irgendwelche Autofahrer oder Anwohner zu ärgern,“ versichert Wortberg.
Der 55-Jährige steht in diesen Wochen immer in den Startlöchern. Mit einem Mal muss es ganz schnell gehen. Mit drei Mitarbeitern hat er seine Gerstenernte innerhalb von zwei Tagen eingefahren – 32 Hektar waren das. Ein Mähdrescher bewegt sich auf dem Feld, zwei Traktoren transportieren die Fracht und ein Radlader verlädt das Getreide schließlich in die Scheune.