Essen. . Der Verein “Integrationsmodell Essen“ betreibt mehr als ein Dutzend Wohn- und Hausgemeinschaften in der Stadt. Das Prinzip: Menschen mit Behinderungen sollen selbstständig leben. Doch Rollstuhlfahrer brauchen nicht nur Wohnraum - jeder Besuch bei Bekannten erfordert großen Aufwand.
Noch blickt Benjamin Schraber etwas skeptisch durchs Fenster raus auf den Heidehang. Vorm Gebäude seiner siebenköpfigen Wohngemeinschaft steht ein nagelneuer Bus – gespendet von der Aktion Mensch fürs Integrationsmodell Essen. Gewartet hat der 26-Jährige lange auf das neue Gefährt mit Rampe. Denn Schraber sitzt im Rollstuhl. „Mit dem Kleinbus bin ich nun viel mobiler. Mir bringt er mehr Freiheit“, sagt Schraber und begutachtet das Fahrzeug, in dem sogar zwei Rollstühle Platz finden oder alle WG-Bewohner zusammen.
Seit 2010 leben die Jugendlichen mit unterschiedlichen Behinderungen im umgebauten Pfarrhaus. Und sie ergänzen sich gut. „Entstanden ist ihre WG durch eine Elterninitiative“, erinnert sich Angelika Steinfurth. Sie ist Geschäftsführerin beim „Integrationsmodell Essen“, lokaler Ableger des 1971 in Münster gegründeten Vereins für integrative Freizeit- und Bildungsarbeit. „Miteinander leben lernen“ war damals das Motto. Und ist es immer noch: Alle Bewohner arbeiten in verschiedenen Werkstätten für Menschen mit Handicap. Was auf dem Speiseplan steht, entscheiden sie im Team, gekocht wird meist zusammen, gegessen sowieso.
Angefangen hat es mit sieben Menschen
Angefangen mit gerade einmal sieben Menschen, die sich ein Mehr an Inklusion in der Ruhrstadt wünschten, ist das Integrationsmodell heute Herr über 13 Wohn- und vier Hausgemeinschaften. Erst dieser Tage ist eine neue WG an der Wiesenbergstraße eröffnet worden. Auch unterstütztes Einzel- und Paarwohnen für 42 Menschen mit Handicap gehört zum Angebot. „Doch es ist nicht immer leicht“, gibt Steinfurth zu. Fördergelder müssen beantragt und bewilligt werden, „das bedeutet viel Papierkram und dauert schon mal länger“. Und so hat’s auch beim neuen Bus gedauert – diesmal jedoch, weil sich eine wichtige E-Mailadresse geändert hatte. Und es keiner wusste.
Aber nun ist er ja da, zur Freude von Benjamin Schraber: „Denn bisher musste ich immer den Behindertenfahrdienst nutzen. Doch auf die Schnelle ist der nicht so leicht zu bekommen.“ Und in die Nachbarstädte würde man die Bewohner sowieso nicht gerne fahren. „Aber da habe ich auch Freunde“, sagt Schraber.
Einweihungsparty und Einkaufsbummel
Ob zur Einweihungsparty, zu seinen Freunden, zum Arzt oder Einkaufsbummel , „nun wird es für Benjamin deutlich einfacher“, sagt Angelika Steinfurth. Denn Benjamin ist Bewohnersprecher und tauscht sich gerne mit anderen übers WG-Leben und andere Angebote des Vereins aus – zum Beispiel über „Herzlauschen“, ein inklusives Theaterstück, dessen Vorstellungen stets ausverkauft waren und das sogar verfilmt wurde: Premiere des Dokumentarfilms ist am 24. November in der „Rü-Bühne“ im Rahmen des Inklusiv-Festivals. Gut 250 Köpfe machen es im Verein möglich, dass 170 Menschen mit Handicap sich wohl fühlen. Steinfurth: „Wir haben schon das nächste Haus in Planung.“