Düsseldorf. Vom Schuljahr 2014/15 an haben behinderte Kinder in NRW einen Rechtsanspruch auf gemeinsames Lernen in einer Regelklasse. Jetzt haben die kommunalen Spitzenverbände errechnen lassen, welche Zusatzkosten die Kommunen dafür stemmen müssen. Sie fordern, dass das Land Millionen Euro zahlt für Schulumbauten, Extra-Betreuung und mehr.
Mehrausgaben in dreistelliger Millionenhöhe kommen auf die Städte in NRW zu, wenn ab Sommer 2014/15 der gemeinsame Unterricht mit behinderten Kindern an Regelschulen („Inklusion“) systematisch ausgebaut wird. Hohe Folgekosten skizziert ein Gutachten im Auftrag der kommunalen Spitzenverbände.
Sie fordern vollen Kostenersatz vom Land. „Ansonsten droht die Inklusion zu scheitern“, warnt Städtetags-Chef Norbert Bude (SPD), der auch mit einer Verfassungsbeschwerde drohte.
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Am Beispiel der Stadt Essen belegt die Studie unter Federführung der Uni Wuppertal, dass die schulische Inklusion „erhebliche Investitionen“ erfordert: Mindestens 18 Millionen Euro müsste die Stadt bis 2019/20 zusätzlich investieren, vor allem für Barrierefreiheit und zusätzliche Räume. Eine anspruchsvollere Variante – mit „pädagogisch sinnvollen“ kleineren Klassen mit 25 statt 30 Schülern – stiegen die Investitionen gar auf 40 Millionen Euro.
Ganztagsbetreuung, mehr Schulpsychologen und andere Lehrmittel
Hinzu kämen nach dem Essener Szenario in jedem Fall laufende Kosten von jährlich 12 Millionen Euro – etwa für Ganztagsbetreuung von Kindern mit Förderbedarf, für Lehr- und Lernmittel sowie Schulpsychologen. Das notwendige „Assistenzpersonal“ habe das Land bisher „vollkommen ausgeblendet“, mahnt der Landkreistag. Eine zweite Rechnung der Gutachter für den Kreis Borken ergibt ähnliche Probleme. Die Zahlen seien nicht repräsentativ, heißt es, die Methodik der Berechnung sei aber auf alle 400 Kommunen im Land übertragbar.
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„Die Behauptung des Landes, der Umbau des Schulsystems in den Kommunen sei ohne zusätzliche Mittel allein durch Umschichtungen zu bewerkstelligen, ist damit widerlegt“, sagte Bude. Einsparpotenziale wie die Schließungen einzelner Schulen oder Grundstücksverkäufe hätten die Gutachter schon eingerechnet.
In NRW greift das Gesetz zur schulischen Inklusion im Schuljahr 2014/15, zunächst in den Eingangsklassen 1 und 5. Langfristig geht das Land davon aus, dass 65 Prozent der behinderten Kinder an Regelschulen unterrichtet werden. Entscheidend ist aber der Elternwunsch.
Schulministerium setzt zunächst auf Schwerpunktschulen
Die kommunalen Spitzenverbände pochen auf die gesetzlichen Vorgaben zur „Konnexität“ – das heißt, dass bei Aufgaben-Übertragung an die Städte das Land auch für die Finanzierung geradesteht. „Wir sind keine Prozesshansel, aber das Land muss sich bewegen“, forderte Roland Schäfer (SPD) für den Städte- und Gemeindebund.
Das Schulministerium äußerte Zweifel an den Berechnungen. „Nicht alle Schulen müssen sofort barrierefrei aufgestellt werden“, hieß es. Eltern hätten künftig einen Anspruch auf einen Platz in einer allgemeinbildenden Schule, aber nicht in einer bestimmten Schule. Sinnvoller sei es, zunächst Schwerpunktschulen zu bilden.