Essen. . Das Grugabad ist in die Jahre gekommen, aber immer noch architektonisch und von der Gesamtanlage her ein ganz großer Wurf. Tausende Essener haben hier einen Teil ihrer Jugend verbracht.
Das Grugabad war „gebaute Zukunft“ hat mal jemand geschrieben. Ein treffendes Wort. Wenn es in Essen etwas Gebautes gibt, das den Geist der frühen 1960er Jahre verkörpert, dann ist das neben einigen Hochhäusern dieses 25 000 Quadratmeter große Freibad der Superlative. Optimismus, Funktionalität und ein bisschen Größenwahn – all das kommt in den Sinn, wenn man von oben den Blick schweifen lässt auf die fünf Becken, die große Liegewiese, die Umkleidetrakte und das ausgedehnte Plateau mit den roten Fliesen. Auch das Gebäude, in dem heute eine Kita untergebracht ist, gehörte mal dazu – als Gastronomie. Kunst am Bau gibt’s auch, und was für welche: Das schöne weiße Rutschen-Ensemble wirkt wie eine Skulptur und als Blickfang und Mittelpunkt inszeniert - unbedingt denkmalverdächtig!
Das Grugabad ist jenseits seiner architektonischen Qualitäten für viele Essener natürlich vor allem eines: Erinnerung an Kindheit und Jugend. Als kleiner Steppke hat einen der schwimmbegeisterte Opa schon hingeschleppt, später lernte man kostenlos Schwimmen in den Kursen des Ferienspatzes - auch so eine Essener Institution die in den finanziell fetten Jahren geboren wurde. Es folgten unvermeidlich die ersten Flirts, Küsse und Fummeleien. Das Freibad war als Körper- und Kennenlern-Zone für Teenies seinerzeit praktisch alternativlos. Wer hier nicht dabei war, warum auch immer, der blieb beim großen Geschlechtergebalze außen vor.
Sommer im Grugabad verbracht
Nicht wenige haben in den goldenen Grugabad-Zeiten der 1960er und 1970er Jahre ganze Sommer dort verbracht – unterbrochen allenfalls von ein paar Stunden in der Schule. Wenn ein sonniger, warmer Tag dräute, empfahl es sich früh zu kommen, um auf der Liegewiese nicht auf die unattraktivsten Plätze verwiesen zu werden. Unvergessen auch die sonnenbadenden Rentner mit ihrer verbrannten Lederhaut, die zum Inventar gehörten wie der Bademeister.
Am Nichtschwimmerbecken habe ich noch den Klangteppich im Ohr, wenn einige Hundert Kinder vor Freude glucksen und schreien. Bis heute ist das für mich der Sound des Sommers. Die etwas reifere männliche Jugend machte Bella Figura auf dem Sprungturm, und je mehr Mädchen unten zuschauten, desto höher ging es rauf, wobei der Zehner allerdings nur etwas für die ganz Harten war. Im Sportbecken dann die Damen und Herren, die mit planschen und flirten nicht so viel am Hut hatten, sondern stoisch ihre Bahnen schwammen.
Wellenbecken als kleine Sensation
Eine Welt für sich schließlich: das Wellenbecken, das zu festgesetzter Zeit die Meer-Simulation in Gang setzte. In Zeiten, als längst noch nicht jeder Urlaub am echten Meer machen konnte, war das durchaus eine kleine Sensation. Wenn der Ruf erscholl „Meine Damen und Herren, liebe Badegäste, in wenigen Minuten wird die Wellenmaschine eingeschaltet“, kam Bewegung in die Menge und der Platz im Wellenbecken wurde knapp. Alles in allem: Mit dem Grugabad hatte sich Essen in puncto Schwimmen ein Ausrufezeichen gegönnt – wie es sich für eine Stadt gehört, deren einprägsamstes Nachkriegs-Credo lautete: Jedes Jahr ein Bad im Bau.
Die Zeiten haben sich geändert, die Freizeit-Optionen sind unüberschaubar und für derart viele Freibäder gibt es schon lange keinen Markt mehr. Das Grugabad ist technisch in die Jahre gekommen, was nicht verwundert in einer armen Stadt, die eben auch hier von ihrer Substanz zehrt. 13,6 Millionen Euro beträgt der Sanierungsbedarf – so hat es die Bäderverwaltung errechnet. Schon kursieren Ideen, das Grugabad zu verkleinern. Es wäre nicht das erste Mal, dass Essen architektonisch und städtebaulich Wertvolles verschleudert, um Mittelmaß in der Fläche zu erhalten.
Wer lange nicht mehr da war, sollte mal wieder hingehen an diesen besonderen Essener Ort. Wer weiß, wie lange das noch geht.
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