Essen. Ein Jahr vor dem 50. Geburtstag der Vorzeige-Bäderlandschaft hat die Diskussion um deren Zukunft eingesetzt. Der Sanierungsstau ist auf inzwischen 13,6 Millionen Euro angewachsen. Soll man also neu und dann kleiner bauen?

„Immer ein Bad im Bau“ – das sollte mal ein Segen für diese Stadt sein, aber manchmal kommt es einem eher wie ein Fluch vor. Denn bei vielen ist Schwimmen als Freizeitvergnügen aus der Mode gekommen, die Energiekosten fressen so viel Geld, dass die Stadt jede gelöste Eintrittskarte mit mehreren Euro bezuschusst, und nach dem Bad-Bau-Boom der 1960er bröckelt es ein halbes Jahrhundert später an jedem Beckenrand.

Wer an einem strahlend sonnigen Tag von der Zuschauertribüne des Grugabads den Blick über die weitläufige, grün eingebettete Beckenlandschaft schweifen lässt, der bekommt davon erst mal nichts mit. Sieht doch alles proper aus: Sie haben den Rasen gemäht und die Büsche gestutzt, mit dem Kärcher die Kacheln abgespritzt und die kaputten Gehwegplatten ausgetauscht. Und während der Saugroboter über den Boden des gefüllten Sportbeckens fährt, sorgt an anderer Stelle neue Farbe für das gute Gefühl: Der Sommer kann kommen.

Großer Renovierungsbedarf

Das leichte Sommergefühl kommt erst abhanden, wenn man genauer hinschaut: Kaum eine der Rand-Kacheln im 80 Meter langen Nichtschwimmerbecken ist noch heile. Überall verputzte Risse, die aufwendig beigeschliffen wurden, damit sich die lieben Kleinen nicht verletzen. Und wer den Renovierungsbedarf nicht fühlen will, kann ihn hören: Das hohle Klockern, wenn Günter Schwiderski mit dem Besenstiel auf die Bodenkacheln pocht, egal an welcher Stelle des Beckens, verrät dem Kundigen, dass da fast kein Verbund mehr mit dem Untergrund besteht. Schnell mit Wasser fluten, heißt die Devise an diesem sonnigen Tag, sonst kommen die Kacheln „hoch wie ein Zeltdach“.

Nein, das Grugabad ist keine Bruchbude, ganz sicher nicht. Immer wieder wurde schließlich „mit Bordmitteln“ saniert, wie Detlev Heine es formuliert: Er leitet den technischen Service bei den Sport- und Bäderbetrieben und zeigt einem nicht ohne Stolz die neue Chlorungsanlage, die 2012 in Betrieb genommen wurde: Sie hat das Hantieren mit den 25 hochgefährlichen Chlorgas-Flaschen durch das zwar etwas umständlichere, aber gleichzeitig wesentlich sicherere Auffüllen mit Chlorgranulat ersetzt.

Oder er führt einen in einen fensterlosen Raum mit dicken Heizungsrohren, in denen die Wärme vom Biomasse-Heizwerk im Grugapark ankommt. „Sehr zuverlässig“, sagt Heine, froh, sich über die Wartung oder gar den Ersatz der betagten Grugabad-Heizung keine Gedanken mehr machen zu müssen.

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Verschärfte Din-Normen für Sarnierung

Und doch: Wer genau hinschaut, erkennt andere Baustellen, wo’s durchregnet in den Freibad-„Keller“ und über kurz oder lang Betonschäden entstehen dürften. Und dann kommt eine verhängnisvolle Domino-Kettenreaktion in Gang: „Wir können nicht sagen, wir nehmen jetzt mal zwei Millionen Euro in die Hand und machen was“, seufzt Detlev Heine, denn man kann die technische Ausstattung von den Bauarbeiten nicht trennen. Und wo es heute noch beim Flickwerk Bestandsschutz gibt, müssten bei einer grundlegenden Sanierung die verschärften Din-Normen eingehalten werden.

Und so hat Heine mal den ganzen Kram zusammengerechnet, die Fliesen- und Abdichtungsarbeiten an den Schwimmbecken, die Wasseraufbereitung, Sanitär- und Elektro-Macken, die Grundleitungen, Beckenumgänge, Gebäude und Außenanlagen. Eher überschlägige Schätzungen sind das bisher, die etwa bestimmte Beträge je Quadratmeter Wasserfläche zugrunde legen, und am Ende stand im September 2012 eine Zahl, die doch manchen arg hat schlucken lassen: 13.641.912 Euro. 13,6 Millionen, die womöglich nicht das letzte Wort wären und für CDU-Frontmann Thomas Kufen prompt Anlass, in seiner Haushaltsrede zwei Monate später öffentlich über einen Grugabad-Neubau zu sinnieren.

Kleiner wäre besser

Selbst bei den Sport- und Bäderbetrieben müssen sie einräumen: kleiner wäre mittlerweile besser, und das gilt nicht nur für die nach heutigen Maßstäben viel zu üppig bemessenen Umkleidegebäude. Das Nichtschwimmerbecken etwa wird viel zu wenig genutzt, und das liegt wohl nicht nur daran, dass es unbeheizt ist und das Wellenbecken nebenan hochattraktiv: „Die Bedarfe sind einfach nicht mehr da“, sagt Heine, und Betriebsleiter Schwiderski nickt: Jeder Quadratmeter Wasserfläche weniger könnte helfen.

Sport-Dezernent Andreas Bomheuer will demnächst ein Konzept vorlegen, eines, das auch Denkmalfragen berücksichtigt, denn 1964 war das Grugabad mehr als ein Freibad, es war gebaute Zukunft: Essen hatte über 740.000 Einwohner, 170.000 mehr als heute.