Essen.
In den 150 Jahren ihres Bestehens hat die SPD stürmische Zeiten erlebt. Aber so stürmisch ging es dann doch selten zu.
Als Udo Karnath erfuhr, dass in der Nacht zu Sonntag eine kräftige Bö den Pavillon seines Ortsvereins davon geweht hatte und das, was davon übrig blieb, allenfalls noch Schrottwert hat, galt es für den Ratsherrn aus Frohnhausen, auf die Schnelle Ersatz zu beschaffen.„Es ist eben alles eine Frage der Organisation“, strahlt Karnath, als die ersten Besucher bereits durchs „Zeltdorf“ schlendern, das die Parteibasis für die große Geburtstagsparty im Schatten von Schacht XII aufgebaut hat.
Volksfest statt Festakt
Was die Organisation angeht: Die NRW-SPD verzichtete zum 150-Jährigen auf einen Festakt und feierte lieber volksnah mit Bierstand und Rummelplatz-Attraktionen. Zollverein, Europas einstmals modernste Zechenanlage, auf der zu Hochzeiten 7000 Kumpel malochten, erscheint der Partei dafür ein passender Rahmen. Wer selbst den Anspruch erhebt, bestimmen zu wollen, wo es lang gehen soll, tut sich damit leichter, wenn man weiß, wo man herkommt.
Der kleingeschröderten SPD schien der innere Kompass abhanden gekommen zu sein. Nach der „Agenda 2010“ und Hartz IV sucht die Partei nach Orientierung. „150 Jahre SPD, wir kämpfen weiter für. . .“ haben die Jusos auf Tafeln geschrieben; Passanten können den Text ergänzen. „Frauenrechte“, „Integration“ ist darauf zu lesen und immer wieder „soziale Gerechtigkeit“ - das, was die Partei im Innersten zusammenhält. So dient das Fest, das ein Volksfest sein will, vor allem der eigenen Selbstvergewisserung. „Wir sind die Kümmererpartei“, ruft Hannelore Kraft ihren Genossen zu. „Schön, dass ihr euch alle kümmert.“
Demokratische Tradition
Die SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsidentin spricht über das Recht auf Bildung, über das Frauenwahlrecht und über demokratische Tradition. „Darauf sind wir stolz.“ Das ist Balsam für die sozialdemokratische Seele.
Wen kümmert es, dass die Partei aktuellen Umfragen zufolge gut drei Monate vor der Bundestagswahl deutlich unter der 30-Prozent-Marke verharrt und ihr Spitzenkandidat den Eindruck vermittelt, er tue alles dafür, um am 22. September als zweiter Sieger durchs Ziel zu gehen? „Die Frau, die Chancen hätte zu gewinnen, redet gerade. Aber sie will leider nicht antreten“, bedauert Besucher Bernd Grabschky. Auch diesen Sturm wird die SPD überstehen. Und was wäre schon eine Wahl, ginge sie denn verloren, angesichts von 150 Jahren Parteigeschichte?
150 Jahre SPD