Berlin/Hagen. .

Die SPD soll sich mit einer Doppelspitze den Umschwung zum Sieg bei der Bundestagswahl im September erkämpfen – und sich dabei die erfolgreichen Wahlkämpfer von 1998 zum Vorbild nehmen: Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine. Das jedenfalls fordert der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen.

„Peer Steinbrück ist als Spitzenkandidat ein Angebot der SPD an die Mitte der Gesellschaft“, so Korte. „Ähnlich wie Schröder, der bei seinem Wahlsieg 1998 mit Oskar Lafontaine einen ­ausgewiesenen SPD-Linken an seiner Seite hatte, braucht auch Steinbrück einen Mobilisierungs-Partner.“ Dafür, so Korte weiter, sei Parteichef Sigmar Gabriel der Richtige: „Er ist ein klarer linker Prototyp, der auch glaubhaft wirkt.“

„Entspannter Fatalismus“

Im Jahr ihres 150-jährigen Jubiläums, das in dieser Woche groß gefeiert wird, und wenige Monate vor der Bundestagswahl kämpft die SPD immer noch vergeblich um einen deutlichen Aufschwung in den Umfragen: Das ZDF-Politbarometer sieht die Partei aktuell bei 29 Prozent – zwölf Punkte hinter der Union. Beim Forsa-Institut kommen die Sozialdemokraten gar nur auf 23 Prozent und liegen damit etwa im Bereich des desolaten Ergebnisses der letzten Wahl 2009. Und Frontmann Steinbrück liegt in den Zustimmungswerten meilenweit hinter Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Kann eine Doppelspitze Steinbrück/Gabriel den Weg zum Erfolg zeigen?

Tatsächlich ist der Erfolg von 1998 über die Regierung von Helmut Kohl nicht zuletzt auf das professionelle Zusammenspiel von Kanzlerkandidat Schröder und Parteichef Lafontaine zurückzuführen. Schröder als „Genosse der Bosse“ machte die SPD für die Wirtschaft und für bürgerliche Schichten wählbar, Lafontaine hielt in der Partei den Laden zusammen. Doch nach dem Wahlsieg war es mit der Harmonie bald vorbei – und das Duo zerbrach an Egoismen und Machtfragen.

Klar ist auch: Die beste Doppelspitze hilft nicht, wenn die Partei als Ganze nicht mitzieht. Da sieht es heute anders aus als vor 15 Jahren. „Der unbedingte Machtwille wie 1998 ist nicht da“, analysiert Experte Korte. In der SPD herrsche „entspannter Fatalismus“. Und in der Bevölkerung sei „auch keine Wechselstimmung zu spüren, wie 1998 bei der Abwahl Helmut Kohls“. Die Wähler liebten Favoriten und möchten am Wahlabend gern auf der Siegerseite sein. Korte: „Das spricht für Angela Merkel.“

Trotzdem hält der Politikwissenschaftler die Bundestagswahl für die SPD noch nicht für gelaufen: „Die SPD kann es schaffen, über die 30 Prozent zu kommen.“ Dazu müsse die Partei jedoch „dringend Gewinnerthemen produzieren“ und „Wirtschafts-Kompetenz und Gerechtigkeits-Kompetenz miteinander verbinden“, so Korte.

Die letzten zehn Tage entscheiden

Als Beispiel für solche Themen nennt er die vielerorts deutlich gestiegenen Mieten, einkömmliche Arbeitsverhältnisse sowie den Bereich Bildung. Alle­samt Themen, „die die Lebenswirklichkeit vieler Menschen treffen“.

Korte glaubt zudem, dass die Sozialdemokraten sich noch etwas Zeit lassen können mit dem „großen Schlag“ gegen Merkel und Schwarz-Gelb: „Entscheidend sind die letzten zehn Tage vor der Wahl.“ Idealerweise müsse die Partei dann ihr Gewinnerthema präsentieren, „um die große Zahl unentschlossener Wähler auf ihre Seite zu ziehen“.

Ob das mit personeller Doppelspitze oder Peer Steinbrück als alleinigem Spitzenmann geschieht, ist in dem Fall eher zweitrangig.