Essen. Beim Blitzmarathon ist die Polizei 24 Stunden auf der Jagd nach Temposündern. Am Dienstag standen die Beamten auch an der Keplerstraße in Essen. “Wer beim Blitzmarathon erwischt wird, ist selber schuld“, findet Polizeisprecher Ulrich Faßbender. Und prompt geht der erste Temposünder in die Falle.
"Wer heute erwischt wird, ist selber schuld", erklärt Ulrich Faßbender, Pressesprecher der Essener Polizei, vor unserer Kamera. Hinter ihm, auf der Keplerstraße in Höhe der Gesamtschule, fährt gerade ein schwarzer Twingo vorbei. Plötzlich gibt das Messgerät, das einer der Polizisten in der Hand hält, einen Ton von sich. Eine Art "Plong". Erwischt. 43 Stundenkilometer zeigt das Gerät an. Erlaubt sind hier aber nur 30. Der Mann wird rausgewunken. Er ist einer von vielen Autofahrern, die beim vierten Blitzmarathon am Dienstag zu schnell gefahren sind.
Zum vierten Mal startete in Nordrhein-Westfalen der Blitzmarathon. Rund 100 Beamte der Polizei Essen sind 24 Stunden lang, in drei Schichten, im Einsatz. Sie messen an rund 140 Stellen in der Stadt. "Wir wollen möglichst viele Autofahrer erreichen", erklärt Faßbender. Geschwindigkeitsüberschreitung sei "der Killer Nummer 1" auf den Straßen.
Polizei will keine Schwerverletzten und Toten mehr auf den Straßen
"Wir haben keine Lust mehr, die Schwerverletzten und Toten aus den Fahrzeugen zu holen", sagt Faßbender. Darum will die Polizei mit dem Blitzmarathon auch auf die Problematik der zu hohen Geschwindigkeit im Straßenverkehr aufmerksam machen. "Wir versprechen uns ein langfristiges Umdenken bei den Autofahrern", so Faßbender.
Der erste Blitzmarathon startete 2011. Erste Argumente für die Wirksamkeit haben die Befürworter der Aktion bereits: Die Zahl der Verkehrstoten sei in Essen gesunken, erklärt Faßbender: 2011 starben 15 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr, 2012 waren es elf Menschen, in diesem Jahr ist es bislang nur eine Person.
Ein Passant kommentiert: "Gut, wenn Sie die Blödmänner erwischen"
Für Aufsehen sorgen die Polizisten an der Keplerstraße auch auf dem Bürgersteig. Passanten bleiben stehen, lassen sich die Messtechnik erklären. "Gut, wenn Sie die Blödmänner erwischen", ruft ein älterer Herr den Polizisten im Vorbeigehen zu. "Alles idiotisch", antwortet ein Senior auf die Frage, wie er den Blitzmarathon findet: "Die sollten nicht so einen Aufwand betreiben."
Das sieht Eva Trost anders: "Grundsätzlich halte ich den Blitzmarathon für richtig." Die 59-jährige Essenerin wird gerade von den Beamten angehalten. Allerdings nicht, weil sie zu schnell gefahren ist. Sie hat sich genau an die Geschwindigkeit gehalten und dafür gibt es jetzt einen Dank der Uniformierten. "Ich weiß, dass hier eine Schule ist", erklärt Trost: "Hier sind viele Kinder unterwegs und ich habe selbst Kinder und Enkel." In der Gesamtschule ist gerade Pause, vom Hof her dröhnt der Lärm der Kinder und Jugendlichen.
Forderung nach Verschärfung und reumütige Temposünder
Trost findet sogar, dass der Blitzmarathon noch verschärft werden sollte. "Das können Sie auch ruhig ohne Ankündigung machen", sagt sie zu den Polizisten. Die Straßen, an denen die Messstellen aufgebaut werden, sollten ihrer Meinung nach nicht vorher genannt werden. Pressesprecher Faßbender erklärt: "Das wurde auch schon überlegt, aber wir wollen transparent sein. Es kommt häufiger vor, dass sich die Bürger das wünschen."
Trost schließt die Tür ihres Kleinwagens wieder und fährt weiter. Zurück bleiben die Polizisten mit ihren Radarpistolen und Messgeräten. In einer Dreiviertelstunde an der Keplerstraße haben sie zwei Temposünder erwischt - und vielleicht einige weitere Autofahrer und Passanten auf die Problematik aufmerksam gemacht.
Die Kritik, der Blitzmarathon sei eine "Showveranstaltung", scheint die Beamten kaum zu kümmern. Das sei einer der geringsten Vorwürfe der Polizei gegenüber, so Faßbender.
Wer von der Polizei erwischt wird, ist oft einsichtig
Die endgültige Bilanz des Blitzmarathons gibt die Polizei am Mittwoch bekannt. Im vergangenen Jahr wurden an den 102 Kontrollstellen 20.215 Fahrzeuge gemessen und 815 Verstöße festgestellt. Spitzenreiter war ein Fahrer, der auf dem Sachsenring in der Tempo-30-Zone mit 72 Stundenkilometern unterwegs war. Faßbender hat den Eindruck, dass beim vierten Blitzmarathon "alle sehr defensiv und bedächtig fahren." Extreme Tempoverstöße gab es bis Dienstagnachmittag nicht.
In die Bilanz des aktuellen Blitzmarathons fällt auch der Twingo-Fahrer auf der Keplerstraße. Der 41-jährige Mann aus Essen steht neben seinem Wagen, macht einen reumütigen Eindruck. "Es tut mir sehr leid", sagt er. Pressesprecher Faßbender sagt, dass viele der erwischten Fahrer einsichtig seien.
Der Mann erklärt, er habe schnell zu einem Termin gemusst und zudem nur gesehen, dass die Polizei in die andere Richtung blitzt. Denn die Beamten haben vor der Schule in beiden Fahrtrichtungen ihre Geräte postiert. Der 41-Jährige hatte noch mit der Lichthupe die entgegenkommenden Autofahrer gewarnt. Jetzt bedauere er, dass er zu schnell gefahren ist. "Ich weiß, dass hier nur 30 ist wegen der Schule. Ich wollte auch nicht schneller fahren." Dass an diesem Tag der Blitzmarathon stattfindet, das habe er nicht gewusst.