Essen. . In einem medienwirksamen Prozess erregte der Reproduktionsmediziner Professor Thomas Katzorke bundesweit Aufsehen. Er sicherte Samenspendern Anonymität zu – eine junge Frau hingegen wollte wissen wer ihr Vater ist und bekam in zweiter Instanz Recht. 100. 000 Kinder wurden in der Essener Klinik „novum“ gezeugt, davon 30 .000 mit einer Samenspende. Rund 90 Prozent der Spender-Kinder wissen nicht, dass ihr sozialer Vater nicht der Erzeuger ist.

100 000 Menschen, das ist die Schwelle, ab der eine Klein- zur Großstadt wird. Und diese Großstadt könnte Professor Thomas Katzorke allein mit den Kindern, die in den letzten 30 Jahren in seiner Essener Reproduktionsklinik „novum“ mit verschiedensten Techniken gezeugt wurden, füllen.

Jüngst sorgte er mit einem medienwirksamen Prozess für Aufsehen. Auf der einen Seite der Arzt, der Samenspendern Anonymität zusagte. Auf der anderen Klägerin Sarah P., die wissen wollte: Wer ist dieser Mr. X, der für mich seine Chromosomen spendete? In zweiter Instanz bekam sie Recht. Denn das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, so die Richter, habe Vorrang vor anderen Absprachen.

Den Vater eher zufällig gefunden

Nun hätte Katzorke dieser Tage den Namen des Vaters nennen müssen – was allerdings voraussetzt, dass die Akten der Spender lückenlos wären. „Damals waren die Fristen zur Aufbewahrung der Unterlagen kürzer“, sagt Katzorke. Zehn Jahre. Womit der Gesetzgeber natürlich einen Treppenwitz ins Stammbuch deutscher Rechtsgeschichte schrieb.

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Ein Kind hat nämlich nicht bereits mit zehn, sondern erst mit 18 Jahren einen Anspruch zu erfahren, wer der Vater ist. So traf Sarah P. trotz Urteils ihren biologischen Vater nach dem medienwirksamen Prozess eher zufällig. Er hatte in den fraglichen Jahren gespendet, meldete sich nun und eine DNA-Untersuchung zeigte: Da haben sich Vater und Tochter gefunden.

Der so häufig orakelten Prophezeiung, eine Prozesslawine werde auf Katzorke zurollen, sieht er gelassen entgegen. „90 Prozent aller Eltern geben im psychologischen Vorgespräch an, ihren Kindern niemals sagen zu wollen, dass sie mit einer Samenspende gezeugt sind.“ Und wer nichts weiß, klagt nicht.

Und wenn doch jemand kommt und den Namen seines Vaters wissen will? Immerhin sind die Aufbewahrungsfristen zwischenzeitlich auf 30 Jahre verlängert worden und das Urteil verpflichtet Katzorke zur Kooperation: „Ein Notar nimmt dann Kontakt zu dem Mann auf und fragt ihn, ob er das Kind kennenlernen möchte.“ Doch der leibliche Vater kann auch sagen: Ich habe das als Geschäft gesehen - Samen gegen Geld - und möchte keinen Kontakt.

„Ohnehin“, fragt Katzorke, „was heißt schon Kontakt? Darf das Kind den Vater sehen, trifft man sich, ein Mal oder mehrfach? Das ist alles schwammig und nicht klar definiert. „Da“, so sagt er, „hätte ich mir vom Gericht eine klarere Rechtsprechung gewünscht. Auch in Hinblick auf Unterhaltspflicht und das Erbrecht, aber da hat man verpasst, ein Stück Rechtsgeschichte zu schreiben.“

Nach dem Prozess sei es wieder ruhig geworden. „Zu uns kommen nicht mehr Menschen auf der Suche nach dem Vater als sonst auch. Erstaunlich ist, dass bislang nur ein Mann hier war und ansonsten ausschließlich Frauen. Viele aus Familien, in denen sich die Eltern getrennt haben.“ In solchen Fällen gewinne die Identität des biologischen Vaters an Bedeutung.

Das Internet verhagelt Samenspendern das Geschäft 

Amazon macht Buchhändlern das Leben schwer, Zalando macht längst erfolgreicher in Schuhen als der niedergelassene Handel. Ein Trend, der sich auch auf dem Samenspendemarkt durchsetzt. Zwar gilt Prof. Thomas Katzorkes Reproduktionsklinik „novum“ noch als bundesweit größte, aber das Internet gräbt auch Samenspendern den Nebenverdienst ab. „Bis 1995 wurden jährlich 2000 Kinder bundesweit mit einer Samenspende gezeugt. Heute sind es gerade mal 1000“, sagt Katzorke. Die anonyme Direktspende via Internet hingegen boomt: Verabreden sich zwei mit verschiedenen Interessen - nämlich Spaß und Kinderwunsch - die den gemeinsamen Nenner Sex haben. „Da gibt es Leute, die sich treffen, ohne irgendwas voneinander zu kennen“, außer einem diskreten Treffpunkt, versteht sich.

Bleibt die Vorauswahl, die Paare bei der Direktspende über eine Internet-Bekanntschaft selbst treffen müssen. Bei „novum“ „achten wir darauf, dass wesentliche Merkmale des Vaters wie Größe, Haar- und Augenfarbe sich beim Spender wiederfinden, damit nicht sofort auffällt, dass das Kind einen anderen Vater hat.“ Ein dunkelhäutiges Baby mit rothaarigen, hellhäutigen Eltern, das legt schnell den Schluss nahe, dass in der Gleichung Vater-Mutter-Kind nicht alle Variablen passen. So sucht Katzorke für japanische Eltern auch mal an Unis, die von dieser Migrantengruppe bevorzugt werden, nach Spendern. Manchmal allerdings muss auch er passen. „Wenn indische Eltern einen hellhäutigen Vater suchen, weil das Kind besser angesehen ist, je heller seine Haut ist, da mache ich nicht mit.“