Essen. . Die Suche nach ihren biologischen Vätern endet bei vielen, die aus Samenspenden gezeugt wurden bei dem Essener Reproduktionsmediziner Dr. Thomas Katzorke. Doch der schweigt - den Samenspendern hatte er Anonymität zugesichert.

Sie ist zehn, als ihre Mutter abends an ihrem Bett sitzt und mit ihr überlegt, wer wem ähnelt. Einige Merkmale findet sie in ihrer Mutter wieder, doch Augen und Haare, sie gleichen weder denen des Vaters, noch denen von Onkeln, Tanten, Großeltern. „Da hat meine Mutter mir in einem langen Gespräch erklärt, dass mein biologischer Vater nicht der Mann ist, den ich als meinen Vater kenne.“ Seither sucht sie nach dem Samenspender. Ein Phantom, dem sie vielleicht ähnelt, mutmaßlich Akademiker, wie Katja*.

Die Neuigkeit, mit einer Samenspende gezeugt worden zu sein, erlebt sie wie einen Krimi. „Ich wollte natürlich wissen, wie die Geschichte weiter geht.“ Doch weitere Kapitel gibt es nicht. Noch nicht. Mehr als 20 Jahre ist es her, dass Katjas Mutter und der Mann, den sie als ihren Vater nie in Frage gestellt hat, nach Essen kommen. Sie besuchen die Praxis des Reproduktionsmediziners Dr. Thomas Katzorke, der sich mit seiner 1981 eröffneten Praxis bundesweit einen guten Ruf erarbeitet hat. Tausenden Paaren hat er zum Wunschkind verholfen, darunter 10.000 Babys, die wie Katja mit Spendersamen gezeugt sind.

Keine Antworten aus der Praxis

Mit zehn Jahren ist das Mädchen zu jung, um sich auf die Suche nach dem biologischen Vater zu machen. „Ich wollte erstmal abwarten, wie sich mein Wunsch entwickelt, habe überlegt, was die Suche für meinen sozialen Vater bedeutet und mir auch vorgestellt, wie es wäre, wenn der Spender mir sehr unsympathisch wäre. Dann könnte ich auch dieses Wissen nicht mehr rückgängig machen.“ Als sie 19 ist, schreibt sie schließlich an den Essener Arzt, bekommt zunächst keine Antwort.

Viel Zeit hätten Katzorke und sein Kollege sich genommen. „Es war ein freundliches Gespräch, in dem man mir zwar Interesse, aber kein Verständnis für mein Bedürfnis nach Information entgegen gebracht hat.“ Die Männer machen unmissverständlich klar: Sie haben den Spendern Anonymität zugesichert, womit sich Mutter und sozialer Vater des Spenderkindes einverstanden erklärt haben. Daran halten sie fest. So verlässt Katja die Essener Praxis ohne eine Antwort.

Doch in dem Gespräch erfährt sie auch, dass es weitere Suchende gibt, die sie im Internet findet. Sie nimmt Kontakt auf, gründet mit anderen Betroffenen einen Verein und die Internetseite „Spenderkinder“. Ob sie überlegt hat, auf Nennung des Namens zu klagen? Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht 1989 geurteilt, das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung habe Vorrang vor allen konkurrierenden Absprachen – damit auch der Zusicherung der Anonymität. „Ja“, sagt Katja, „überlegt habe ich das wohl. Aber mir war sehr schnell klar, dass ich dann nicht mehr anonym bleiben kann und auch meine Eltern in die Öffentlichkeit geraten, wo ich sie nicht hinzwingen möchte.“ Ohnehin ist die Suche ein ethischer Spagat. „Ich habe meinen sozialen Vater immer akzeptiert und wollte ihn durch die Suche nicht verletzen.“

Doch eine andere Betroffene wagt den Schritt, scheitert vor dem Essener Landgericht und darf seit der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamm hoffen, dass Katzorke die Namen nennen muss. Was Katja damit tun würde? „So eine konkrete Vorstellung habe ich gar nicht. Ich möchte ihn sehen und treffen. Es gibt Merkmale und Angewohnheiten bei meiner Mutter, in denen ich mich wiedererkenne.“ Doch das sei nur eine Hälfte, die andere will sie kennen lernen, um zu sehen, ob sie sich darin findet. „Mehr nicht.“

*Name der Redaktion bekannt

„Spenderkinder“ finden sich im Netz

Die Eltern haben keine Antwort. Der Mediziner, der sie geben könnte, weigert sich, zu reden. Doch abfinden wollen sich viele Kinder, die mit Spendersamen gezeugt sind, damit nicht. Im Internet berichtet eine junge Frau von ihrer vergeblichen Suche, findet darüber Gleichgesinnte, gründet zusammen mit ihnen den Verein „Spenderkinder“, der mittlerweile eine gleichnamige Internetseite betreibt und im sozialen Netzwerk Facebook aktiv ist.

Ausgetauscht werden auf dieser Seite Informationen über Reproduktionsmediziner – und dabei fällt auch immer wieder der Name des Essener Frauenarztes Dr. Thomas Katzorke, der die größte Reproduktionspraxis Deutschlands unterhält. Seit mit Sarah P. eines der erwachsenen „Spenderkinder“ gegen ihn klagt, wird das Dilemma des Mediziners deutlich. Den Samenspendern hat er Anonymität zugesichert – das Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung kann er - nach Bundesverfassungsgerichtsurteil - nicht ignorieren. Argumente des Mediziners, die biologischen Väter könnten selbst Familien haben, die nichts von der Spende und damit der Existenz weiterer Kinder wüssten, lassen sie nicht gelten. „Ich will ja niemanden, der die Stelle meines sozialen Vaters einnimmt und auch keinen Familienanschluss, sondern den Mann treffen, dessen Gene ich in mir trage“, sagt Katja.