Essen. Der Steuerzahlerbund rät Essen davon ab, das Müllheizkraftwerk Karnap zu kaufen. Die Risiken seien zu hoch. Falls jedoch der Bürger am Ende durch höhere Gebühren dafür zahlen müsste, kündigt man schon jetzt Klage an.

Die Frage, ob die Stadt Essen das Müllheizkraftwerk Karnap kaufen wird, ist noch nicht entschieden. Die Verhandlungen zwischen der städtischen Holding EVV und dem Betreiber RWE laufen, Ergebnisse soll es kurz vor der Sommerpause geben. In der Essener Politik, so ist aus verschiedenen Fraktionen der Parteien zu hören, wächst dagegen die Sympathie für eine Übernahme des Müllofens in städtische Regie.

Doch was würde dies letztlich für die Entwicklung der Abfallgebühren bedeuten? Diese Frage kann niemand seriös beantworten. Doch der Bund der Steuerzahler in NRW sieht hohe Risiken für die Stadt und letztlich für den Gebührenzahler: „Essen sollte sich diesen Klotz nicht ans Bein binden“, appelliert deshalb Gebührenexperte Harald Schledorn. Karnap ist einer der größten Müllöfen in NRW. „Den muss man erstmal auslasten“, meint er. Doch die Prognosen gehen in der Zukunft von weiter sinkenden Müllmengen in den Haushalten aus. Hinzu kommt: Mülheim und Gladbeck, die bislang in Karnap ihren Restmüll verbrennen, steigen 2015 aus. Wie sich die verbleibenden „Karnapstädte“ Gelsenkirchen und Bottrop verhalten, ist weiter ungewiss.

Kosten nicht auf Gebührenzahler abwälzen

Doch die Frage der Auslastung wird die entscheidende werden, wie sich die Gebühren entwickeln. Denn wenn die Auslastung nicht gelingt, könnte Essen versuchen, die anfallenden Kaptitalkosten für den Kauf auf die Gebühren umzulegen. Schledorn kündigt für diesen Fall schon an: „Die Politiker sollten sich nicht darauf verlassen, dass sie das Risiko auf die Gebührenzahler abwälzen können. Denn dagegen würden wir auf jeden Fall klagen.“ Verwaltungsgerichte hätten bereits solche Versuche anderer Städte untersagt. Dann würde die Stadt auf den Kosten sitzen bleiben – was aber letztlich auch wieder der Bürger bezahlen würde.

Schledorn warnte die Essener Kommunalpolitik des Weiteren davor, sich auf die jüngsten Pläne von NRW-Umweltminister Remmel zu verlassen. Der möchte Mülltourismus verhindern und die Städte ohne eigenen Müllofen zwingen, in der Nähe zu entsorgen. Das könnte Essen in die Karten spielen, um Karnap besser auszulasten. Aber noch ist völlig offen, ob sich Remmel mit seinen Plänen politisch durchsetzt und ob sie überhaupt bereits angekündigten Klagen standhalten. Außerdem gibt es in der näheren Umgebung von Essen noch genügend andere Müllverbrennungsanlagen, so dass die Städte ihren Müll nicht zwingend nach Essen liefern müssten.

Wegen all dieser Fragezeichen spricht Schledorn von einem „abenteuerlichen Investment“, das Essen eingehen würde. Er rät deshalb dazu, die Finger vom Kauf zulassen und sich Angebote der umliegenden Müllöfen einzuholen.

Die Argumente der Befürworter

Noch laufen die Diskussionen, doch zeichnet sich im Rat der Stadt dem Vernehmen nach eine Mehrheit für den Kauf des Müllheizkraftwerks Karnap ab. SPD und Linke sind klar für den Kauf, in der CDU und bei den Grünen gibt es zwei Lager, wobei die „Käufer“ etwas stärker sein sollen als die „Nicht-Käufer“. Selbst in der FDP-Ratsfraktion gibt es einzelne Befürworter, die EBB steht als einzige Fraktion derzeit in klarer Distanz zum Kauf.

Befürworter führen vor allem folgende Argumente ins Feld: Essen wäre mit dem Kauf unabhängig bei der Müllentsorgung, was sich möglicherweise auch bei der Entwicklung der Gebühren stabilisierend auswirken könnte – vor allem dann, wenn Essen freie Verbrennungskapazitäten gewinnbringend vermarkten könnte. Unter anderem ist in der Diskussion, Klärschlämme der Emschergenossenschaft dort zu verbrennen. Hinzu kommt, dass das Müllheizkraftwerk Fernwärme produziert, die energieeffizient ist.