Essen. . Greenpeace, Atomkraft-Gegner und Co: Demonstrationen gab es oft bei Aktionärstreffen des Essener Energiekonzerns RWE, doch selten war die Kritik so vielschichtig. Auch ein Stammesältester aus Kolumbien meldete sich in diesem Jahr zu Wort.

Oscar Guariyu, Stammesältester aus Kolumbien, und Ingo Speich, Portfolio-Manager der Fondsgesellschaft Union Investment, haben eine Gemeinsamkeit. Beide wollen, dass der Energiekonzern RWE seine Strategie in Sachen Kohle überdenkt. Und beide meldeten sich daher während der RWE-Hauptversammlung zu Wort. Wobei sich zumindest Guariyu in der Essener Grugahalle nicht so präsentierte, wie man sich einen Aktionär landläufig vorstellt. Kopfschmuck mit Pfauenfedern – das ist sonst eher etwas für Häuptlinge und weniger für Kleinanleger.

Guariyu ist auf Einladung von Menschenrechtsorganisationen nach Essen gereist. Ihre Kritik lautet: Durch Steinkohle, die in Kraftwerken von RWE zur Stromerzeugung verbrannt wird, verlieren Menschen in Kolumbien ihr Land. Protest gab es schon häufig bei RWE-Treffen, doch selten war er so bunt und vielschichtig.

Dass Umweltschützer von Greenpeace vor der Tür demonstrieren, ist fast schon Tradition. Auch in der Halle kam es gelegentlich zu Zwischenfällen. Vor zwei Jahren stellten sich Personenschützer vor den damaligen Konzernchef Jürgen Großmann, als Protestierer in den Saal gelangten. Auch in diesem Jahr musste der neue RWE-Chef Peter Terium seine Rede unterbrechen. Demonstranten rollten ein Transparent aus. Slogan: „Braunkohle stoppen“.

„Geschäftsmodell von RWE bedarf einer Generalüberholung“

Doch nicht nur von Guariyu, Greenpeace und Co. musste sich Terium kritische Fragen anhören. Wenn Fonds-Manager Speich sagt, „die Tage der alten Welt aus Kohle und Kernkraft sind gezählt“ und „das Geschäftsmodell von RWE bedarf einer Generalüberholung“, spricht nicht der Umweltschützer, sondern der Kapitalanleger. „RWE ist nach wie vor der größte Kohlendioxid-Emittent in Europa“, bemängelt Speich und spricht von einem „traurigen Negativrekord“. Das verursache im Konzern hohe Kosten, da die Emissionsrechte gekauft werden müssen. „RWE muss jetzt alles daran setzen, die CO2-Emissionen zu reduzieren“, fordert Speich. Sonst werde letztlich der Aktionär die Zeche zahlen.

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Die RWE-Eigentümer, unter ihnen mehrere Ruhrgebietsstädte wie Essen, Mülheim und Dortmund, müssen sich ohnehin auf magere Zeiten einstellen. Es zeichnet sich ab, dass die Dividende in Zukunft kleiner ausfallen wird als zuletzt. Zwei Euro pro Aktie überweist RWE noch für das abgelaufene Geschäftsjahr. Stolze Dividenden-Rendite: 6,4 Prozent bis sieben Prozent. Rund 1,2 Milliarden Euro schüttet RWE damit aus, ein Viertel davon geht an die kommunalen Aktionäre. RWE-Chef Terium räumt aber ein: „Nach 2013 wird es kaum möglich sein, das Ergebnisniveau zu halten.“ Damit dürfte die Dividende sinken – und auch in den Kassen der Kommunen weniger ankommen.

„Opfer der Energiewende“

Es macht RWE zu schaffen, dass Kohle- und Gaskraftwerke von den erneuerbaren Energien verdrängt werden. Denn Ökostrom aus Wind, Wasser oder Sonne wird vorrangig ins Netz eingespeist. Kohlekraftwerke tragen allerdings zu mehr als der Hälfte der Stromerzeugung von RWE bei. „Erhebliche Teile unserer konventionellen Kraftwerke weisen rote Zahlen aus“, warnt Terium. RWE will nun sparen und Stellen abbauen.

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„Feind der Energiewende“ habe er auf einem Protestplakat vor der Halle gelesen, erzählt Alexander Elsmann von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). „Ich weiß nicht, ob wir der Feind sind oder eher das Opfer beziehungsweise der Verlierer der Energiewende.“