Vor 50 Jahren machte die Stadt den Weg frei für den Bau des Müllheizkraftwerkes in Karnap; Einstimmig segnete der Rat am 27. Februar 1963 den Vertrag mit dem Betreiber RWE ab. Für Horst Pomp, Mediziner und Umweltaktivist, ist das kein Grund, um Kerzen anzünden, erst recht nicht nach den neuen Entwicklungen. Da die Stadt sich mit dem Gedanken trägt, RWE die Verbrennungsanlage abzukaufen, hält es Pomp für angebracht, vor den Risiken zu warnen: Essen könnte sich einen völlig überdimensionierten Müllofen ans Bein binden.
Das Müllheizkraftwerk zählt zu den modernsten seiner Art, genügt hohen Umweltstandards und liegt äußerst verkehrsgünstig. Aus Sicht der Stadt alles gute Gründe, die Anlage gemeinsam mit Bottrop und Gelsenkirchen zu betreiben. Diese Frage stellt sich, denn Ende 2014 läuft der Veraschungsvertrag mit dem Energiekonzern RWE aus.
Doch lohnt sich das? Pomp verweist auf eine Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Diese sagt, dass deutlich weniger Müll zur Verbrennung anfallen dürfte, sollte bundesweit die neue Wertstofftonne eingeführt werden. Demnach sinkt die Müllmenge bis 2020 um mindestens knapp vier Prozent, im Extremfall gar um elf Prozent. Und dies vor dem Hintergrund, dass die Verbrennungskapazitäten heute schon das Angebot übersteigen. „Wo soll der Müll denn herkommen“, fragt Pomp, der befürchtet, die Stadt könnte durchkreuzen, worum sich die Entsorgungsbetriebe Essen schon in Kindergärten bemühen: Die Bürger zu animieren, Müll doch besser zu vermeiden.
Noch ist nicht absehbar, wann das Erfassungssystem für Kunststoffe, Metalle, Holz oder auch Elektrogeräte etabliert werden soll. Die Verwaltung hat aber schon einmal gerechnet: Sechs bis acht Kilo an Wertstoffen dürften pro Einwohner anfallen. Das macht, gemessen an der Bevölkerungszahl, 3430 bis 4570 Tonnen pro Jahr, die nicht mehr in Karnap verfeuert werden könnten. Eine überschaubare Menge angesichts von 300 223 Tonnen Müll, die die EBE 2012 anlieferte. Prognosen sind aber schwierig, die Müllmenge schwankte zuletzt stark von Jahr zu Jahr. Das Umweltministerium geht davon aus, dass das Aufkommen an Hausmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall in Essen bis zum Jahr 2025 um 6,1 Prozent sinkt. Lässt sich da überhaupt guten Gewissens das Risiko kalkulieren? „Wir werden dem Rat der Stadt einen Kauf nur empfehlen, wenn wir sicher Gewinne erwarten können“, sagt ein Beamter der Stadt, der ungenannt bleiben möchte. Derzeit gebe es noch viel Unsicherheit - was auch an den Preisvorstellungen von RWE liegen soll. Das Einwerben von Müll von weit her - vielleicht gar aus dem Ausland - könnte unvermeidlich sein, um Gewinne zu machen. „Mülltourismus im großen Stil wäre politisch nicht durchsetzbar“, heißt es im Rathaus.