Essen. . Der finanzielle Anreiz für Armutsflüchtlinge für den Verbleib in der Stadt Essen ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2012 gestiegen. Die Bereitschaft zur Rückkehr in die Heimat ist dadurch aber gesunken. Setzt sich dieser Trend fort, wird es laut der Stadt bald an Unterkünften mangeln.

121,13 Euro mögen zum Leben zu wenig sein und zum Sterben zu viel. Doch eben diese Summe, um die das Bundesverfassungsgericht 2012 die finanziellen Leistungen für Asylbewerber und Flüchtlinge höchstrichterlich angehoben hat, ist für viele Betroffene offenbar Anreiz genug, so lange in Essen zu bleiben wie nur eben möglich. Auch wenn die Chancen auf einen dauerhaften Aufenthalt gen Null tendieren.

Dieser Schluss liegt nach Auffassung der städtischen Sozialverwaltung beim Blick auf die aktuellen Belegungszahlen der Übergangswohnheime nahe. Derzeit seien dort 540 Personen untergebracht - das sind deutlich mehr als 2012 und 2011 mit 487 beziehungsweise 449 Personen. Auch in diesem Jahr stellen Bewohner aus Serbien und Mazedonien, die der Volksgruppe der Roma angehören, wieder die größte Gruppe.

Sollte sich dieser Trend bestätigen, stellt sich für die Stadt um so drängender die Frage, wo sie die Menschen unterbringen soll. Im Kupferdreher Ortsteil Dilldorf wurde inzwischen eine ehemalige Schule soweit umgebaut, dass dort bis zu 80 Menschen eine Bleibe finden könnten. Dann aber, so heißt, es wären die Kapazitäten erschöpft.

Stadt kündigt Vorschläge an

Dass es sich bei den asylsuchenden Roma aus den beiden Balkanstaaten nahezu ausschließlich um so genannte Armutsflüchtlinge handelt, gilt nach Einschätzung der Behörde als ausgemacht. Sozialdezernent Peter Renzel hatte sich davon vor Ort auf einer Informationsreise der Caritas nach Belgrad und Skopje überzeugen können. Wobei sich der Eindruck verfestigte, dass es nicht die Ärmsten der Armen seien, die den Weg nach Essen finden, ist aus Delegationskreisen zu hören.

Deutschland und die deutschen Städte seien „Teil des Problems als auch der Teil der Lösung“, ließ Renzel nach seiner Rückkehr verklausuliert verlauten. Und weiter heißt es: Die Gesprächspartner vor Ort hätten „die hohen Geldleistungen als einen kritischen Anreiz für Armutswanderung beklagt“. Eine Einschätzung, die im Rathaus durchaus geteilt wird. Auch vor diesem Hintergrund kündigt die Sozialverwaltung bis zur Sommerpause Vorschläge an, wie die Stadt der beschriebenen Armutswanderung begegnen will.

Problem dürfte sich weiter verschärfen

Denn das Problem, so heißt es, dürfte sich weiter verschärfen, wenn Roma aus Rumänien und Bulgarien als EU-Bürger von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen und sich auch in Essen niederlassen. Die Bereitschaft, freiwillig in die Heimat zurückzukehren, könnte dann noch geringer ausfallen als heute bei Asylsuchenden und Flüchtlinge.

234 Personen konnten in diesem Jahr von der Ausländerbehörde „überzeugt“ werden, das Land wieder zu verlassen. Acht Personen wurden abgeschoben, 13 tauchten vorher unter.