Essen. . Noch nie in ihrer 80-jährigen Historie hat ein Schiff der Weißen Flotte Baldeney die Gewässer NRWs verlassen. Bis jetzt: Da kreuzen die 108 Teilnehmer der Jungfernfahrt „Von Götterswickerhamm nach Berlin“. 600 Kilometer Wasserwege, immer den Kanälen folgend.

Ruhig gleitet das schneeweiße Schiff auf den Wellen dahin, die Passagiere sind in warme Decken gehüllt, sie genießen die Muße an Bord, vor sich auf den Knien liegend die Lektüre. „Tod auf dem Nil“ – wie passend – ist nur ein Buch von vielen. Hin und wieder ein Blick über die Reling, weites, unbewohntes Land links und rechts. Kormorane am Ufer, Störche hoch oben im Nest, Schwäne ziehen in den „Everglades“ von Brandenburg umher.

600 Kilometer Wasserwege, immer den Kanälen folgend – wahrlich eine Herausforderung für die Weiße Flotte Baldeney und ihr Schiff, die MS Heisingen. Denn noch nie in ihrer 80-jährigen Historie hat ein Schiff der Weißen Flotte Baldeney die Gewässer NRWs verlassen. Nun aber kehren sie bereits zurück von ihrer Abenteuerfahrt: „Acht Städte, vier Kanäle, 13 Schleusen“. „Ich habe nie geglaubt, das alles so reibungslos abläuft und die Tour soviel Zuspruch erhält“, gesteht Weiße Flotte-Chef Franz-Josef Ewers.

Eine logistische Meisterleistung für die Crew

Links ein Damm, rechts ein Damm und mittendrin, da kreuzen die 108 Teilnehmer der Jungfernfahrt „Von Götterswickerhamm nach Berlin“. Eine Idee, vom Heimatverein Voerde vor zwei Jahren geboren und nun zusammen mit der Weißen Flotte umgesetzt. 57 Expeditionsteilnehmer sind es, die sich am 13. April auf die Fahrt gen Berlin begeben, 51 weitere kehren nun in umgekehrter Richtung zurück.

Eine logistische Meisterleistung für Aleksander Farkas, Pressesprecher der Weißen Flotte Baldeney, und seine Crew, die Kapitäne Udo Gödje und Bernd Laczny, sowie die „Deckoffiziere“ Silvia Sticker und Uwe Kerschel. Als Mini-Aida umgebaut, mit gemütlichen Lounge-Möbeln im Zwischendeck, Sitzrunden auf dem Ober- und Strandkorb und Liegen auf dem Außendeck bietet die MS Heisingen den Expeditionsteilnehmern alles, was das Herz begehrt.

„So eine Kanalfahrt bringt die Gedankengänge in Ordnung“

Mal hoch, mal runter geht es durch die Schleusen, Hohenwarthe katapultiert Schiff und Besatzung gleich 19 Meter tief. Über den Wesel-Datteln-Kanal schippern die Teilnehmer mit 12 km/h, zuerst nach Münster, dann über den Dortmund-Ems-Kanal in den Mittellandkanal. Bad Oeynhausen, Hannover, Wolfsburg und Magdeburg sind weitere Stationen auf dem Weg zum Reichstag. „Ich sehe mein Land nie wieder aus dieser ungewöhnlichen Perspektive“, ist sich Edelgard Römer sicher. Das Gewöhnliche wird auf dieser Reise zu einem Abenteuer. Da sind die kleinen Gehöfte hinter den Deichen, die Kapelle auf der Anhöhe, der mit Schlick behangene Uferstein, die Kormorane, die nach Fischen heischen. Alles hundertmal gesehen, doch plötzlich erscheint’s in einem völlig neuen Licht. „So eine Kanalfahrt bringt die Gedankengänge in Ordnung“, findet Bodo Dörnbach.

Übernachtet wird in Hotels am Wegesrand. Tagtäglich fährt ein Minibus der Weißen Flotte die Strecke ab, sorgt beim Caterer fürs Mittagessen, bringt es ans Schiff, holt die leeren und gesäuberten Behälter am nächsten Anleger in der Pampa wieder ab.

Und endlich das quirlige Berlin

Ein Reisebus ist ebenfalls auf gleicher Strecke unterwegs, er bringt die Reisenden ins Hotel und zu Besichtigungstouren durch Hannover, Wolfsburg, Magdeburg, fährt sie durch kleine Orte im Osten, die menschenleer scheinen, vorbei an halb zerfallenen Häusern, in denen noch gewohnt wird. Es scheint, als stehe in manchen Ortschaften die Zeit still.

Und endlich das quirlige Berlin. In Spandau aber ist Schluss für die MS Heisingen. Zu tief sind die Brücken über die Spree, hier kann es Kapitän Gödje nicht mehr wagen, weiterzufahren. Die Berliner Weiße Flotte übernimmt die letzten Wasserkilometer zum Reichstag. Es ist geschafft. Zwei Tage Ruhe für die Crew, das Schiff muss gesäubert und aufgetankt werden. Während die erste Gruppe per Bus zurück an den Niederrhein fährt, begeben sich 51 Neuankömmlinge aus Voerde an Bord des Schiffes. Nur so rentiert es sich für das Unternehmen.