Essen. Die Suchthilfe direkt leidet unter Entzug. Trotz Kürzungen legte die Sozialgesellschaft eine starke Bilanz vor.
Allein die Geldspritzen externer Geber ermöglichten das Überleben: Ohne Mittel von Stiftungen hätte die „Suchthilfe direkt“ an der Hoffnungstraße im vergangenen Jahr wichtige Angebote einstellen müssen. Zum Beispiel das Vorbeugungsprojekt „AllFred“, das Jugendlichen Wissen über die physischen, psychischen, sozialen und juristischen Risiken des Konsums von Cannabis vermittelt und binnen eines Jahres 780 junge Essener erreichte – mit einer äußerst erhellenden Wirkung, die womöglich länger anhält, als die ständig schwindender Zuschüsse.
Was erklärt, warum die Führung von Essens kleinster Sozialgesellschaft, die am Tropf der Stadt hängt, trotz aller Erfolge des Dauereinsatzes gegen Drogen und Sucht mit Sorge in die Zukunft schaut und dabei keinen Hehl aus einer gewissen Erschöpfung macht: „Wir fühlen uns wie in einem Hamsterrad, das nicht aufhört sich zu drehen. Seit nunmehr sechs Jahren muss die Suchthilfe mit massiven Kürzungen zurecht kommen“, beklagt das Leitungsduo Bärbel Marrziniak und Klaus Mucke.
Zuschüsse der Stadt nicht gesichert
Während die Gesellschaft finanziell ausblute, um nach Tariferhöhungen Gehälter bezahlen zu können, seien die Zuschüsse der Stadt nicht gesichert, auch zukünftig nicht. Dass die Suchthilfe trotz solch umfassender Widrigkeiten nahezu unbeirrt so unverzichtbare wie exzellente Arbeit in einem schwierigen Umfeld abliefert, kann fast schon als das kleine Wunder von der Hoffnungstraße bezeichnet werden.
Was würde denn wohl passieren in dieser Stadt, wenn: 635 süchtige Männer und Frauen ihre 19.349 Portionen Heroin und Kokain im vergangenen Jahr eben nicht im Drogenkonsumraum, sondern auf der Straße zu sich genommen hätten; dort und auch am „Strichpunkt“ auf dem ehemaligen Kirmesplatz keine Hunderttausende Spritzen getauscht und entsorgt worden wären; keine 800 Abhängigen im Drogen-Ersatzprogramm Abstinenz erlernten; schnelle Notarzteinsätze, die das Leben süchtiger Menschen noch am Ort des Konsums retteten, nicht mehr möglich gewesen wären?
88 Drogenabhängige konnten in eine Therapie vermittelt, tausende beraten werden – darunter auch Eltern und Kinder. Im vergangenen Jahr starben in Essen „nur“ 20 Menschen an den Folgen ihrer Sucht. Das sind 16 weniger als noch vor zehn Jahren. Zahlen, die zeigen: Ohne eine gesicherte Arbeit der Suchthilfe droht der Stadt ein Rückfall in die drogenpolitische Steinzeit, mit all ihren unliebsamen Folgen. Was der Politik die Eigenständigkeit der kleinsten Sozialgesellschaft wert ist, kann sie bald zeigen: Denn noch ist das Vorhaben der Verwaltung, die Suchthilfe unter dem Dach der Gesellschaft für soziale Dienstleistungen Essen (GSE) zu integrieren, nicht vom Tisch. Ganz ist der Druck nie weg.