Essen. Dank externer Geldgeber steht die Suchthilfe schuldenfrei da, doch die Personaldecke ist gefährlich knapp. Die Mitarbeiter der Suchthilfe fühlten sich besonders im vergangenen Jahr zunehmend unter einen immensen Lohn- und Leistungsdruck gesetzt.
Sie retteten Leben, während sie um ihre eigene Existenz bangten: Die Mitarbeiter der Suchthilfe fühlten sich besonders im vergangenen Jahr zunehmend unter einen immensen Lohn- und Leistungsdruck gesetzt, der die kleinste der Essener Sozialgesellschaften zu zermalmen drohte. Eine Schließung des Café Kibbel – seit Jahren ein offener wie unentbehrlicher Treff für ausstiegswillige Drogenkranke – war aus akutem Geldmangel schon beschlossene Sache, bevor die Einrichtung nach einem NRZ-Bericht dann doch noch erhalten wurde.
Doch „bei aller Euphorie“ über das „kleine Wunder“ von der Kibbelstraße, mahnen jetzt Klaus Mucke, Geschäftsführer der „Suchthilfe direkt“ und seine Stellvertreterin Bärbel Marrziniak, sollten die Realitäten nicht aus den Augen verloren werden: Die Personaldecke vieler dringend benötigter Angebote für Suchtkranke ist inzwischen so „gefährlich knapp geworden“, dass „ein oder zwei Ausfälle wegen Krankheit“ genügen: „Und schon sind einige Bereiche nicht mehr zu öffnen“, heißt es in einem Vorwort der Doppelspitze im aktuellen Jahresbericht 2011 der städtischen Gesellschaft.
Die Entwicklung, die sich darin abzeichnet, ist eine eindeutige: „Die Nachfrage nach den Angeboten der Suchthilfe steigt. Die Anforderungen werden höher.“
Finanzmittel reichen noch fürs kommende Jahr
Zumindest finanziell ist der Druck ein wenig raus an der Hoffnungstraße – vorerst: Man gibt sich schuldenfrei. Immerhin. Für dieses wie für das kommende Jahr reichen die Finanzmittel, heißt es. Aber auch nur, weil es den Suchthelfern einmal mehr gelungen ist, dringend benötigtes Geld meist bei Stiftungen locker zu machen, um wichtige Angebote aufrecht erhalten zu können – wie etwa das Vorbeugungsprojekt „AllFreD“, das Jugendlichen Wissen und alltagstaugliche Informationen über die psychischen, physischen, sozialen und juristischen Risiken des Konsums von Cannabis vermittelt.
„AllFreD“, das binnen eines Jahres 780 junge Essener erreichte, kann einmal mehr nur dank der Krupp-Stiftung weitergeführt werden. Bisher hat es viel Aufklärung geleistet und interessante Erkenntnisse gebracht: Zum Beispiel die, dass in Essen der erste Joint im Alter von durchschnittlich 14,3 Jahren geraucht wird, während die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS) in Hamm ein Einstiegsalter von bundesdurchschnittlich 15,6 Jahren angibt. Der jüngste „AllFreD“-Teilnehmer und Drogenkonsument war neun Jahre jung, der älteste 20.
Fusion von Suchthilfe und Jugendhilfe angedacht
Mal abgesehen davon, dass solches nicht selten als Spitzfindigkeit abgetanes Wissen die Gutachter der „Märkischen Revision“ wenig interessiert haben dürfte, als sie sich über eine Fusion der Suchthilfe und der Jugendhilfe Essen unter dem Dach der Essener Arbeit und Beschäftigung Gesellschaft (EABG) Gedanken gemacht haben: Bis zum heutigen Tage liegt keinerlei überprüfbare und nachvollziehbare Wirtschaftlichkeitsberechnung vor, woher die angeblich eine Million Euro Mindesteinsparung bei einer künftigen „Sozialholding“ kommen sollen.
Da Oberbürgermeister Reinhard höchstpersönlich versprach, es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben, lässt sich zumindest bei der Suchthilfe kaum auf den Faktor des altersbedingten Ausscheidens setzen: In den nächsten zehn Jahren, so heißt es, sei da kein Effekt zu erwarten.
Ein anderer hat bereits eingesetzt zum Leidwesen der Gesellschaft: Mindestens vier Mitarbeiter haben sich im Angesicht des drohenden Szenarios bereits wegbeworben von der Hoffnungstraße. Ein schmerzhafter Aderlass.