Essen. Als Lungenkranker in der Disco unerwünscht? Ein Essener wurde am Oster-Wochenende an der Tür eines Clubs nicht eingelassen - weil er ein Atemgerät bei sich trug. Die Chefs von Tanzlokal und Sicherheitsdienst positionieren sich zwar gegen Diskriminierung, verteidigen aber ihre Mitarbeiter.
Dass er sich am vergangenen Samstag nach dem Rot-Weiss-Derby noch für den Besuch einer Essener Diskothek entschied, gehört normalerweise nicht zum Alltag von Tim Caspers. Ganz im Gegensatz zu dem Sauerstoffgerät, auf das der 33-Jährige seit einer schweren Lungenerkrankung nicht verzichten kann – denn da hängt schlicht sein Leben dran. Dass diese Maschine (und nicht etwa das mittelmäßige Unentschieden gegen Kray) ihn letztlich an einem heiteren Abend in der „Musikpalette“ hindern würde, hatte er nicht erwartet. Doch das Gerät von der Größe eines Toasters passe dort nicht hin, befand das Sicherheitspersonal am Einlass.
An der Tür diskutiert man nicht
Ob er „das Ding da“ den ganzen Abend mit sich rumschleppen wolle, habe der Türsteher ihn gefragt, als er gegen 24 Uhr zum ersten Mal in das Tanzlokal an der Kettwiger Straße wollte, um einen Freund zu treffen. „Ja, das brauche ich zum Überleben“, habe Caspers mit Blick auf die noch menschenleere Bar geantwortet, „und auch, dass ich lediglich an der Theke sitzen und nicht auf der Tanzfläche abzappeln will.“ Aber an der Tür diskutiert man nicht, das weiß der 33-Jährige aus Erfahrung. Er selbst hat jahrelang für einen Sicherheitsdienst gearbeitet, unter anderem im Münchner Olympiastadion.
Als er den Satz „das passt hier nicht rein“ zu hören bekam, habe er den Eingang sofort verlassen. Wartende Gäste in der Schlange hätten den Vorfall mitbekommen, sich aber nicht eingemischt, sagt er. Dafür erhielt er jedoch im Internet jede Menge Zuspruch, wo er noch am gleichen Abend sein Bedauern öffentlich machte. „Ich möchte damit lediglich zum Nachdenken anregen“, so der Vater einer zweieinhalbjährigen Tochter, „mit so viel Unterstützung habe ich dabei gar nicht gerechnet.“ Bisher ließ die „Musikpalette“ (Mupa) die Beschwerde im Netz unkommentiert.
Auf Nachfrage der NRZ betonte Geschäftsführer Klaus Koch jedoch: „Bei uns ist jeder willkommen. Und wenn Menschen im Rollstuhl kommen, tragen wir sie sogar die Treppen runter.“ Er habe von dem Fall gehört, wolle ihn auch nicht runterspielen und erklärt ihn so: „Das Sicherheitspersonal wollte die Verantwortung nicht übernehmen, falls etwas passiert. Das ist nicht persönlich zu nehmen.“ Wie die Situation genau lief, wisse er nicht, aber der Ton könne schon mal härter werden, wenn abgewiesene Gäste anfangen zu diskutieren, und 400 weitere in der Schlange warten. Im Ton hätte sich Caspers eher schwerlich vergreifen können: „Um mich aufzuregen, fehlt mir einfach die Puste“, so der Frührentner.
„Diskriminierung dulden wir nicht“
Aber auch der Chef der zuständigen Sicherheitsfirma „Ruhr-Security“, Willy Schüffler, stellt sich vor seinen Mitarbeiter: „Er hat nur verantwortungsbewusst gehandelt.“ Es ginge rein um die Sorge um die Gesundheit eines Gastes bei der Fülle der Menschen, die zu der Party erwartet wurden. „Ein Handicap ist generell kein Grund, jemanden abzuweisen. Diskriminierung dulden wir hier nicht“, betont Schüffler.
Der RWE offenbar auch nicht. Der Verein organisiert für jedes Spiel einen Johanniter-Shuttle für Caspers. Doch so etwas erwartet er gar nicht, auch keine Entschuldigung. Die Tage seit seiner Diagnose 2010 werden mehr, an denen dem 33-Jährigen die Kraft zum Aufzustehen fehlt. „Ich werde keine 40 mehr“, sagt er selbst. Trotz allem will er sich aber nicht zu Hause im Selbstmitleid vergraben, er will „alles mitnehmen, was geht“. Auch sein Sauerstoff-Gerät mit in die Disko, das er im Übrigen selbst hätte die Treppe heruntertragen können.