Essen. . Schwarze Haare? Womöglich gegelt? Da tut’s vielen Diskothekenbesitzern leid (oder auch nicht): „Ausländer“ bleiben vor der Tür. Kaya (18) durfte kürzlich nicht einmal seine eigene Vorabi-Party miterleben. „Es gibt“, sagt ein Essener Partyveranstalter, der landauf landab in Clubs unterwegs ist, eine ganze Reihe von Tanzschuppen, die einen „Schwarze Haare-Filter“ an der Tür haben.
Er hatte eine Freundin im Arm (blond!). Er hat zugesehen, dass er mit seinen 18 Lenzen irgendwie „noch harmloser als sonst“ aussieht, was immer das heißen mag. Er hat darauf geachtet, „bloß nicht falsch zu gucken“, aber genutzt hat es alles – nichts: Als er im Pulk von einem guten Dutzend Kumpels an der Reihe war und den Türsteher der City-Diskothek passieren wollte, hielt der ihn zurück: „Deine Freundin kommt rein, Du nicht!“
Von wegen: Willkommen im Club. Kaya (der in Wirklichkeit anders heißt) kennt es nicht anders, und er hat sich fast schon damit abgefunden. Früher wollte er noch irritiert die Gründe wissen und fing an, mit ungehaltenen Wachleuten vor der Clubtür zu diskutieren. Doch die Proteste hat er sich abgewöhnt, wenn überhaupt, kommen sie halbherzig, weil er sich hanebüchene Ausreden à la „Es ist alles voll“ oder „Du stehst nicht auf der Gästeliste“ (wo es gar keine gibt) ersparen möchte. Denn er kennt ja den wahren Grund, warum er draußen bleiben muss, wo seine Freunde rein dürfen: Kaya ist türkischer Abstammung, und das sieht man ihm an. Tiefschwarze Haare, braune Augen...
„Schwarze Haare-Filter“
Was nützt ihm da sein verschmitztes Lächeln? Auf dem Maria-Wächtler-Gymnasium in Rüttenscheid macht er in ein paar Wochen sein Abitur: Englisch, Erdkunde, Mathe und Sowi – „ich bin ein friedlicher, ausgeglichener Typ“, sagt Kaya von sich, und „total integriert“. Nur wenn sie am Wochenende mal abzappeln wollen, „feiern gehen“, wie die Jugendlichen heute sagen, dann spielt die entscheidende Rolle, dass sein Vater vor mehr als 30 und seine Mutter sogar noch zehn Jahre früher aus der Türkei nach Deutschland kamen.
„Mein Migrationshintergrund“, sagt er achselzuckend und spricht dabei die Anführungszeichen mit. Dann kann es ihm, wie jüngst, passieren, dass er seine eigene Vorabi-Party nicht miterleben darf. Ein Einzelfall? Keineswegs: „Es gibt“, sagt ein Essener Partyveranstalter, der landauf landab in Clubs unterwegs ist, eine ganze Reihe von Tanzschuppen, die einen „Schwarze Haare-Filter“ an der Tür haben: Junge Türken und Libanesen kommen nicht rein, und „das kommt nicht von ungefähr“: Wenn es Ärger gibt, seien die vorneweg, „das ist einfach eine andere Mentalität“.
Eine Beobachtung, die sich allerdings durch keine Statistik untermauern lässt, wie Raymund Sandach von der Pressestelle der Polizei sagt: Die Ordnungshüter werden meist nur gerufen, wenn es richtig brenzlig wird, den „Alltagsstress“ mit renitenten Club-Gästen bekommt die Polizei gar nicht mit, mögliche Anzeigen von Geschädigten werden nicht kanalisiert ausgewertet.
Unwohlsein der anderen
Es ist ja auch nicht so, dass Kaya für alle türkisch- oder libanesischstämmigen Jugendlichen seine Hand ins Feuer legen will: „Man hört von Banden, die Stress machen“, und er ahnt die Probleme der Türsteher, die ausmachen müssen, „wer ist hier ein potenzieller Stressmaker, wer nicht“. Aber wenn sie ihn dann aussortieren, empfindet er das als „Schlag ins Gesicht, weil man mit denen gleichgesetzt wird“.
Seine Eltern leiden mit Kaya, nicht dass der sich beklagt, aber: „Wir merken morgens beim Frühstück, wenn etwas nicht stimmt.“ Dabei haben sie doch immer wieder mehr Aufwand und weitere Wege in Kauf genommen, „damit er sich integriert“, haben neulich die NRW-Ministerpräsidentin angeschrieben. Nicht dass sie sich viel davon versprechen, sie wollten nur mal mitteilen, „wie derartige rassistische Ausgrenzungen in der Seele eines jungen Menschen tiefe Spuren hinterlassen“.
„Wenn er ungepflegt wäre, aggressiv oder betrunken“, sinniert sein Vater über Kaya, aber so? Sie haben die Lage mit Verwandten besprochen, die in Hamburg wohnen, und soll man jetzt sagen, dass von dort „beruhigende“ Kunde kommt? Da agieren die Clubs nämlich genauso, das „Tor zur Welt“ bleibt manchem verschlossen. Den Club „ausländerfrei“ zu haben, wie der Essener Partyveranstalter sagt, ist oft nur eine Reaktion auf die Stimmung unter den anderen Gästen: „Manche fühlen sich unwohl, wenn viele junge Kerle aus Zuwandererfamilien im Saal sind.“ Also wird gesiebt, wenn’s sein muss, verwehren junge Migranten jungen Migranten den Eintritt. Immerhin, zur Abifeier kann Kaya das nicht passieren, die steigt in der Karstadt-Zentrale. Der Moderator des Abends, das ist übrigens er.