Essen. . Unter anderem mit einer Atombombe hatte der Räuber Hamdi S. bei seinem Streifzug durch die Essener Innenstadt gedroht. Jetzt wird ihm vor der Strafkammer der Prozess gemacht. Dabei wurde deutlich, dass die Reaktionen der betroffenen Verkäuferinnen sehr unterschiedlich ausgefallen waren.

Nicht jedes Opfer einer Straftat reagiert gleich – und auch Täter unterscheiden sich deutlich. Eindrücke aus einem Raubprozess vor der XVI. Essener Strafkammer gegen Hamdi S. (32), der kleine Geschäfte in der City von Essen überfiel und ausgerechnet mit einer Bombe in seiner Jacke drohte.

Im Gerichtssaal sieht er eigentlich harmlos aus. Aber seit seinem 14. Lebensjahr konsumiert er Drogen. Erst weiche, dann immer härtere. 14 Vorstrafen hat er, saß schon längere Zeit ein, absolvierte letztlich erfolglos mehrere Therapien, ignorierte die Hilfen und Kontrollen der Justiz, wenn er mal in Freiheit war.

"Ich habe gedacht, der spinnt"

Als er 2011 auf Bewährung herauskam, nahm er schnell wieder Drogen. Geld brauchte er und ging am 25. März 2012 in ein Sonnenstudio am Viehofer Platz. Eine Hand steckte in der Jackentasche. „Pistole, Geld“, sagte er und bekam rund 200 Euro. Einen Tag später startete er um 14.30 Uhr seine Raubserie. Er tauchte in einem Bekleidungsgeschäft an der Viehofer Straße auf.

„Ich hab’ Bombe, Geld“, rief er. Die 59 Jahre alte Verkäuferin sah seine Hand in der Jackentasche. Ob sie das wirklich geglaubt habe, fragt Richter Martin Hahnemann. „Erst später habe ich gedacht, der spinnt. Der fliegt doch dann selbst in die Luft.“ Geld erbeutete er nicht, weil sie die Kassenlade beherzt zuschlug, als diese nach seinen Schlägen aufgesprungen war. Er ging. Sie leidet noch lange an den Folgen des Überfalls.

Mit Atombombe gedroht 

Neun Minuten später betrat er einen Geschenkeladen am Limbecker Platz. Da soll er sogar mit einer Atombombe gedroht haben, heißt es in der Anklage. Die Verkäuferin, 48 Jahre alt, vermittelt bei ihrem Zeugenauftritt einen lebensfrohen Eindruck. „So viele Leute hier. Sagenhaft!“, ruft sie beim Betreten des Saales. Glaubte sie an die Bombe? „Ich hätte ihm alles geglaubt.“ Beim Überfall hatte sie aus Angst und Nervosität den Code für die Kasse vergessen. Er schlug mehrfach auf die Kasse, doch sie blieb zu.

Die 48-Jährige bemühte sich. „Was machen wir jetzt?“, sagte sie damals zum Räuber, „Kann ich Ihnen etwas anderes anbieten?“ Da bat er um ihr Portemonnaie, entnahm Scheine im Wert von 135 Euro, gab ihr die Börse zurück und ging. Sie praktiziere „gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg“, erklärt sie dem Gericht den freundlichen Dialog. Dann geht sie auf den Angeklagten zu, reicht ihm die Hand: „Ich verzeihe Ihnen. Und hoffe, dass Sie die Unterstützung bekommen, die Sie brauchen.“

Opfer reagierte unfreundlich

Sein nächstes Opfer reagierte weniger freundlich. Als Hamdi S. am Tattag um 16.30 nach üblicher Masche in einen Sex-Shop am Salzmarkt ging, holte die 61-jährige Verkäuferin einen Schlagstock unter der Theke hervor und lief auf ihn zu: „Ich gib’ Dir Bombe!“ Sofort lief er weg. Erst danach wurde ihr das Risiko ihrer Aktion bewusst: „Wie bescheuert kannst Du nur sein? Heute würde ich sagen: Bitte, hier ist die Kasse.“

Vier Stunden später war Hamdi S. in einem Teeladen in der Rathausgalerie erfolgreicher. Die 40-jährige Verkäuferin hatte Angst vor der angeblichen Pistole, öffnete die Kasse. 707 Euro stopfte er sich in die Hosentasche. Kurz danach schnappten ihn die Sicherheitsmitarbeiter des Einkaufszentrums. Das Opfer dieser Tat leidet heute noch sichtlich. Sie habe auch Angst, alleine mit einem Mann im Aufzug zu fahren.

Hamdi S. entschuldigt sich bei jedem seiner Opfer und bittet das Gericht, ihm noch einmal eine Therapiechance zu geben, damit seine Sucht und seine psychotische Erkrankung behandelt werden können. Antwort darauf gibt es am nächsten Prozesstag. Dann wird sich zeigen, ob auch das Strafgericht „die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg“ praktiziert.