Essen. Kimbo ist stubenrein, schläft nachts durch, die Erziehung klappt: Dennoch bleibt der Labrador nicht bei Familie Siegert: Sie sind seine Paten – er wird später Blindenführhund. Für die Ausbilder hingegen sind die Paten wichtige Helfer, damit die Hunde gut sozialisiert werden.

Wenn Sabrina aus der Schule kommt, begrüßt Kimbo sie stürmisch. Der Labrador ist bei Familie Siegert in Heisingen eingezogen, weil die Zwölfjährige sich so sehr einen Hund gewünscht hat. So weit ist das wohl eine Geschichte, wie sie sich in vielen Familien abspielt. Der Unterschied: Der Vierbeiner bleibt bei den Siegerts, bis er ein Jahr alt ist. Dann beginnt der Rüde seine Ausbildung bei einer Trainerin und wird später berufstätig sein. Kimbo wird ein Blindenführhund.

Die verbringen ihr erstes Lebensjahr bei Patenfamilien wie den Siegerts. „Für uns ist eine gute Möglichkeit zu schauen, ob Sabrina das durchzieht“, erklärt ihr Vater Wolfgang Siegert (52). Ob also die Tochter etwa regelmäßig mit Kimbo Gassi geht oder letztendlich doch alles an ihrer Mutter hängenbleibt.

Alle gehen in die Hundeschule

Für die Ausbilder hingegen sind die Paten wichtige Helfer, damit die Hunde gut sozialisiert werden, erklärt Siegfried Küch, der die gleichnamige Blindenführhundschule leitet. Paten sind oft Familien, die den Alltag mit Hund ausprobieren möchten, um sich dann für oder gegen einen eigenen zu entscheiden, sagt Küch. Es sind aber auch ältere Menschen, die sich nicht mehr für Jahre verpflichten wollen. „Manche von ihnen ziehen inzwischen den neunten Welpen groß.“

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Kimbo ist mit acht Wochen zu Familie Siegert gekommen. Nun ist er sechs Monate alt, stubenrein und schläft nachts durch, was das Miteinander deutlich erleichtert. Möbel hat er nie angekaut, stattdessen einen Kauknochen bekommen. „Er kann schon Sitz, Platz und Bleib ein bisschen“, zählt Sabrina die Grundkommandos auf, die sie dem Rüden beigebracht hat. Der besucht eine Hundeschule, in die Mutter, Vater und Tochter abwechselnd mit ihm gehen. Wolfgang Siegert hatte früher einmal einen Hund. Nun war ihm wichtig, dass ihr neuer Mitbewohner sehr sozial und nicht zu wild ist. „Er darf nicht so an der Leine ziehen“, auch das übt Sabrina mit Kimbo. Sozial ist der allemal, zu Besuchern und Vierbeinern aus der Nachbarschaft.

Bis zum Sommer wird geübt

Was die Nachbarn betrifft: „Es grüßen plötzlich Menschen, die das noch nie getan haben“, sagt Waltraud Siegert. Sie kommen ins Gespräch, auch das bringt ein Hund mit sich. „Er ist einfach ein toller Hund und verbreitet ständig gute Laune“, sagt ihr Mann. Auch wenn es zunächst natürlich eine Umstellung war. Immerhin ist der Hund nun fast überall dabei, weil er ja in der Zeit bei ihnen viel kennenlernen soll. Kimbo war im Geschäft, auf dem Weihnachtsmarkt, im Restaurant, im Zoo. In einem gläsernen Aufzug war er erst skeptisch, beim zweiten Mal war alles ok, erzählt Wolfgang Siegert. In Byfang ist Kimbo Enten, Gänsen und Pferden begegnet. „Er hat erst interessiert geguckt“, sagt Waltraud Siegert. Inzwischen ist er gelassener. Bus fahren lernt er noch und auch, kurze Zeit allein zu bleiben.

Bis zum Sommer werden sie mit ihm üben, ihn erziehen und viel spazieren gehen. Ab und zu mussten dabei inzwischen doch Mama und Papa für Sabrina einspringen. Für sie steht jetzt schon fest, dass sie Kimbo am liebsten behalten möchte: „Er ist so süß.“ Dafür müsste der aber durch eine Prüfung fallen und zum Beispiel ängstlich sein. Ihr Vater glaubt vielmehr, dass sie mächtig stolz sein werden, wenn Kimbo Blindenführhund ist. Siegfried Küch weiß: „Je mehr Tränen fließen, desto besser hatte es der Hund.“ Und der kann bestens vorbereitet in seine berufliche Laufbahn starten.

"Mit Bella bin ich wieder frei" 

Die Chemie zwischen Freya Engelmann (74) und Bella stimmte gleich. 2008 haben sie sich kennegelernt im Büro der Blindenführhundschule Küch: „Bella stürmte auf mich zu“, erinnert sich die Rüttenscheiderin, für die es der erste Hund ist. Dann war es durchaus anstrengend, sich auf ihn einzustellen, gegenseitig Vertrauen zu fassen. Heute sagt Freya Engelmann: „Mit Bella bin ich wieder frei und selbstständig.“

Mit der Labradorhündin hat sie sich auch geoutet, denn bis dahin wussten nur Familie und enge Freunde, dass Freya Engelmann fast blind ist, nur auf dem linken Auge noch zwei Prozent Sehkraft hat. Mit 30 musste die Realschullehrerin, die Musik studiert hat, ihren Beruf aufgeben. Ehrenamtlich spielt sie weiterhin Klavier in ihrer Rüttesncheider Gemeinde und geht es zum Einkaufen auf die Rü, heißt das Kommando für Bella: „Links, voran.“ Bella bleibt an der Ampel stehen, zeigt Treppen an, indem sie sich quer vor ihre Besitzerin stellt, führt sie sicher zur Apotheke und am liebsten auf den Markt: „An den Wurststand natürlich“, verrät die 74-Jährige, die Bellas Arbeit regelmäßig mit Leckerchen belohnt.

"Sie gibt mir absolute Sicherheit"

Mit ihr fährt sie auch wieder allein in die Stadt. Zuvor sei ihr Mann besorgt gewesen, ging lieber mit. Nun führt der Hund sie durch die Gänge mit den Kleidern und zum Lift. „Wenn sie nur einmal in einer Filiale war, findet sie den Weg beim zweiten Mal sofort“, lobt ihre Besitzerin. „Bella ist besonders intelligent und sehr menschenbezogen.“ Kurzum: Bella ist nicht nur perfekt, „alle lieben Bella“, vor allem die Enkelkinder. Und wenn ihr Mann Gerd Engelmann Bella ohne ihr Führhundgeschirr ausführt, dann ist sie eine ganz normale Hündin. Sie tobt am liebsten mit Welpen oder spielt mit Stofftieren, schnuppert im Haumannpark oder spaziert durch die Gruga.

Pantoffel bringt Bella zwar nicht, sagt Freya Engelmann lachend, „aber sie gibt mir absolute Sicherheit.“ Auch im Urlaub, ob in den Bergen oder am Strand, in Tirol oder auf Rügen, ist die Hündin immer dabei. „Ich würde sie nie mehr hergeben“, sagt die 74-Jährige, die nicht nur dem Ausbilder Siegfried Küch dankbar ist, dass er den richtigen Hund für sie ausgesucht hat. Dankbarkeit empfindet sie auch gegenüber der Patin, bei der Bella aufwuchs. Und die die Hündin dann wieder abgegeben hat, damit sie ihr nun helfen kann. Freya Engelmann steht mit der Patin immer noch in Kontakt und berichtet von Bella.

Paten für Welpen gesucht 

48 Hunde leben derzeit in Patenfamilien und sollen später zu Blindenführhunden ausgebildet werden. „Wir suchen weitere Paten“, sagt Siegfried Küch, der lange in Gerschede lebte und das Gymnasium Borbeck besuchte. Heute bildet er die Tiere in seiner Blindenführhundschule in Alpen aus. 600 Hunde waren es in den vergangenen Jahren 25 Jahren.

Familien mit Kindern können Paten werden, aber auch ältere Menschen. Voraussetzung: viel Zeit. „Sie sollen den Hund möglichst überall mitschleppen“, sagt Küch: Kaufhäuser, glatte Böden, Aufzüge, Menschenmengen im Bahnhof. Der Junghund sollte lernen, möglichst nicht nach Futter zu betteln, nicht an der Leine ziehen und gut sozialisiert werden, z.B. in einer Welpengruppe. Die Kosten für die Hundeschule übernimmt die Ausbildungsstätte, so wie alle anderen Kosten auch. „Der Welpe soll einfach fröhlich groß werden“, sagt Küch.

Bei den Paten bleibt der Hund zehn Monate

Der Hund zieht im Alter zwischen acht und zehn Wochen bei den Paten ein und bleibt etwa zehn Monate. Dann wechselt er zur Trainerin. Mit etwa 18 Monaten bis zwei Jahren ist der Blindenführhund ausgebildet. Dazu gehört auch der Eignungstest, bei dem z.B. der Jagdtrieb ausgeschlossen wird. Bei der medizinischen Prüfung mit zwölf Monaten werden u.a. Bewegungsapparat und Blut kontrolliert. Nur ein gesunder Hund wird Blindenführhund. Der absolviert zunächst eine interne Prüfung, nach der es drei Wochen Einweisung für den neuen Besitzer gibt. Die schließen dann die Ausbildung mit einer Gespannprüfung ab.