Essen. Tierische Hilfe für ein Contergan-Opfer aus Essen: Nach einem Bericht über Susanne Fisch sagte ein Pharma-Konzern die Kostenübernahme für den Vierbeiner zu. Er soll seiner Besitzerin helfen, den Alltag mit verkümmerten Armen zu meinstern.
Vier Wochen dauert es noch, dann zieht eine kleine Hündin bei Susanne Fisch ein. Der Vierbeiner wird allerdings nicht nur Haustier sein, er wird zum Assistenzhund ausgebildet, damit er seiner Contergan-geschädigten Besitzerin im Alltag helfen kann. Die WAZ-Lokalredaktion hatte über den Fall berichtet und beim Pharma-Konzern Grünenthal nach Hilfsmöglichkeiten gefragt. Mit Erfolg: Nun übernimmt die Firma die Kosten für den Hund.
Die Mutter von Susanne Fisch hatte in der Schwangerschaft das Schlafmittel Contergan vom Arzt verschrieben bekommen und eine einzige Tablette eingenommen. Die Folge: Ihre Tochter kam ohne Arme zur Welt. Sie kämpft heute nach 51 Jahren mit dem zunehmenden Verschleiß ihres Körpers und mit den schlimmer werdenden Schmerzen.
Hilfe angekündigt
Jetzt freut sie sich über die Zusage: „Ich war total erstaunt, dass das alles so schnell ging“, sagt Susanne Fisch nach „einem netten Telefonat“ mit einem Konzern-Mitarbeiter. Immerhin hatte sie zuvor selbst verzweifelt Essener Firmen angeschrieben, denen sie im Gegenzug für die Finanzierung der Hundeausbildung anbot, Reklame auf dem Auto oder am Hundegeschirr zu machen.
Grünenthal sponsert
Viele Verbände, die die Contergangeschädigten vertreten, sehen das Engagement von Grünenthal kritisch und wollen trotz der zusätzlichen Hilfe eine höhere Entschädigung der Betroffenen erreichen. Grünenthal verweist allerdings auf Entschädigungszahlungen in der Vergangenheit. „Contergan bleibt Teil der Unternehmensgeschichte und wir wollen mit dem Thema verantwortungsvoll umgehen. In Gesprächen mit Betroffenen haben wir viel über die Schwierigkeiten gelernt, die sich für die Betroffenen bei der Bewältigung des Alltags ergeben“, erklärt Grünenthal-Sprecher Frank Schönrock. Deshalb habe man sich entschlossen, ein solches Projekt zu unterstützen. Die Duisburger Firma ist dem Konzern empfohlen worden.
„Ein Traum wäre es, wenn Spracherkennung irgendwann in den Heilmittelkatalog aufgenommen würde. Schließlich wäre so eine Software auch eine Hilfe für Schlaganfallpatienten, die zwar noch sprechen, aber ihre Arme nicht mehr bewegen können“, erklärt Thomas Mack. Dazu müsste der Bundestag eine entsprechende Erweiterung auf den Weg bringen. Würden Schulungen dieser Art anerkannt, könnten die Krankenkassen die Kosten übernehmen.
Nachdem ihre Geschichte dann in der Zeitung zu lesen war, reichte sie die angeforderten Kostenvoranschläge für den Hund bei der Firma Grünenthal ein, die auf ihrer Internet-Seite ankündigt, „einzelne Contergan-Betroffene zu unterstützen, die sich in akuter Not befinden“.
Ausbildung für rund 20.000 Euro
So wie Susanne Fisch, die 25 Jahre lang als Bürokauffrau bei der Stadt gearbeitet hat, nun von ihrer Frührente und Grundsicherung lebt. Um einkaufen zu können, ist sie inzwischen immer öfter auf den Rollstuhl angewiesen. Denn ihre arg beanspruchten Sehnen an den Füßen, mit denen sie „alles außer Fensterputzen und schwere Töpfe heben erledigt“, sind chronisch entzündet, die Brustwirbelsäule steif.
Wenn nun der Labrador-Golden-Retriever-Welpe zu ihr und ihrer Katze einzieht, dann wird er zum Beispiel lernen, Türen zu öffnen oder ihr die Jacke ausziehen, erklärt Hunde-Ausbilderin Dagmar Tennhoff. Zunächst aber muss sich die die Hündin an Alltagssituationen gewöhnen, Geräusche vom Staubsauger und Telefon kennenlernen, das sie später apportieren soll. Diese Ausbildung wird laut Trainerin rund 20.000 Euro kosten. Susanne Fisch wird, so wie sie es sich gewünscht hat, von Anfang an einbezogen, damit der Hund ihre Körpersprache lernt und sie ein Team werden.