Bochum/Essen.

Ein Tiefstapler war er nie. „Größter Mitsubishi-Händler Europas“ lautete eine Bezeichnung für ihn. Aber auch „Herr über 13 Autohäuser im Ruhrgebiet mit 191 Mitarbeitern“ oder „Besitzer von Schloss Baldeney“. Aber diese Zeit liegt lange zurück. Vor dem Bochumer Landgericht zieht der Essen-Werdener Friedrich Winkelmann als Angeklagter eine bittere Bilanz: „Ich habe mein gesamtes Vermögen verloren“.

Doch die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität sieht den 68-Jährigen schlicht als Betrüger. Anklägerin Katrin Drifthaus wirft ihm in ihrer 27 Seiten starken Anklage vor, die Insolvenz seiner Autohauskette im Mai 2008 zu spät angemeldet und die Bilanz verfälscht zu haben. Außerdem habe er mit unwahren Angaben einen Kredit über 1,8 Millionen Euro erschlichen, der mit einer Landesbürgschaft abgesichert wurde. Steuerdelikte nennt sie auch. Mitangeklagt ist sein 43 Jahre alter Steuerberater, dem Winkelmann in früheren Vernehmungen eigenmächtige Fälschungen unterstellt hatte. Davon ist am Montag zum Prozessauftakt keine Rede mehr. Im Gegenteil: „Er ist ein toller Mann. Hätte ich ihn früher angerufen, säße ich heute nicht hier.“

Luftbuchungen in der Bilanz

Die Vorwürfe reichen zurück in die Jahre 2005 bis 2009. Systematisch soll Winkelmann die Lage des Firma verschleiert und durch Luftbuchungen seine Bilanzsumme auf überhöhte 80 Millionen Euro gesteigert haben, um besser auszusehen. Am Montag nimmt er Stellung. Sein Unternehmen sei gesund gewesen, behauptet er. Denn mit seinem Privatvermögen hätte er die Firma sanieren können. Von einem seiner früheren Anwälte sei er aber falsch beraten worden: „Dass ich den Insolvenzantrag gestellt habe, war das Dümmste, was ich tun konnte.“ Er hat noch weitere Erklärungen. Mitsubishi habe ihn weg haben wollen, weil er auch für Kia Autos verkaufte. Und: „Ich hatte Burn-out, hätte zum Arzt gehen sollen.“

Vor allem erzählt er über sein Leben. Wie die Mutter ihn und seine Geschwister durchbrachte: „Sie hatte drei Arbeitsstellen, weil sie nichts von der Wohlfahrt wollte.“ 1959 habe er die Volksschule abgeschlossen, „ausgezeichnet mit dem Preis der Stadt Essen“. Tankwart lernte er, übernahm 1986 seine erste Tankstelle in Werden. Daraus entstand das Autohaus mit 13 Filialen. Arbeit sei seine Leidenschaft, betont er und nennt einen weiteren Grundsatz: „Ich habe nie bewusst etwas getan, um jemanden zu schädigen.“ Sein Verteidiger Manfred Gregorius ergänzt: „1,2 Millionen sind von ihm gespendet worden in 20 Jahren.“ Wovon er heute lebt, will die Staatsanwältin wissen. „Ich lebe bescheiden und demütig und bekomme 400 Euro Rente.“

Dreieinhalb Monate Untersuchungshaft 

Fast drei Jahre dauerte es seit Anklageerhebung, bis der Prozess gegen Friedrich Winkelmann am Landgericht Bochum begann. Erst gingen Haftsachen vor, dann wechselte auch noch die Kammer. Winkelmann hatte im Herbst 2009 für dreieinhalb Monate in Untersuchungshaft gesessen. „Wissen Sie, was ich da durchgemacht habe?“, sagt er vor der 2. Strafkammer.

Nichts habe er mehr, alles verloren, behauptet er. Und es waren viele Immobilien, in die der Werdener Autohändler investiert hatte. Bekannt ist vor allem der Kauf des Restaurants „Dicker Engel“ im Jahre 2003. Aber schon fünf Jahre zuvor stieg er richtig dick ein und kaufte Schloss Baldeney mit den Seeterrassen. „Vielleicht wohne ich mal selbst dort“, orakelte er. Doch aus all den utopischen Plänen wurde nichts. Nur mit Mühe soll die Sparkasse als Kreditgeber vor wenigen Monaten einen neuen Besitzer gefunden haben. Investiert hatte er mit einer Mülheimer Firma auch in Gewerbeimmobilien. Doch seine Geschäftspartner zahlten ihn aus, als er in Schwierigkeiten kam. 24 Millionen Euro soll Winkelmann mit dem Au­tohaus in den Sand gesetzt haben.