Essen. Sina, Heidi und ein johlender Saal - Impressionen von der Herrensitzung der „Gänsehälse“ im GOP.

Fast 27 Jahre bin ich jetzt Journalist, aber einmal muss es ja sein: Herrensitzung! Ich dachte auch an eine Art Selbsttherapie. Ich bin nämlich traumatisiert durch die Sexismus-Debatte, es gelüstete mich nach Gegengift. Geh doch mal dahin, sagte ich mir, wo Sexismus nicht wie bei Brüderle schamhaft an der Hotelbar ausgelebt wird, sondern ganz offen. So kam ich zur 27. Herrensitzung des Essener Traditionsvereins „Gänsehälse“ im GOP-Variete.

Um es gleich zu sagen: Die Sache ist intelligenter als ich dachte. Eine Herrensitzung ist wie der ganze Karneval ein kontrolliertes Ventil, ein Reservat, ein Schonraum des schlechten Geschmacks. Männer machen hier das, was sie sonst selten ungetadelt dürfen: Sie lachen sich kaputt über mehr oder weniger frauenfeindliche Witze, trinken viel und grabbeln an „Nummerngirls“ herum. Die bittet der Sitzungspräsident mit einem unkorrekten „Kommt her, Micky Mäuse“ gleich zu Anfang auf die Bühne. Sina und Heidi sind sehr blond und spärlich bekleidet, und im Laufe des Abends wird das immer weniger. Während 300 Männer johlen, denke ich: Au weia, wenn hier jetzt die PriesterInnen der Sexismus-Debatte aufkreuzen, dann aber gute Nacht Marie.

Drei Büttenredner

Nun, Sina und Heidi, soviel scheint klar, haben kein Problem mit Sexismus, jedenfalls kein erkennbares. Als die Männer an den ersten Tischen vor der Bühne kleine Scheine an die Strapse und im Dekolleté befestigen und bei der Gelegenheit auch mal kräftig zugreifen, trifft das auf keinerlei Protest. Später legen die beiden - dann schon barbusig - einigen Halb-Prominenten auf der Bühne Karnevalsorden um den Hals. Das war komisch, aber außer den vielen Männern sieht’s ja keiner. Und wir sind längst eine verschworene Gemeinschaft.

Herrensitzung im GOP

1/25

Dafür sorgen auch die drei Büttenredner. Der Clown „Die Erdnuss“ macht’s auf die grobe Tour. Hier werden alle primären Geschlechtsorgane brutalstmöglich beim Namen genannt, die Witze sind herrlich doof („Kommt ein Hengst in die Bäckerei: Habt ihr Stuten?“), aber egal: Die Erdnuss ist ein Eisbrecher. Mein Favorit ist aber Wolfgang Reich, ein weißhaariger Düsseldorfer mit viel Frauen-Erfahrung („48 Jahre Ehe - ich sag Ihnen, die können sich ziehen“). Ohne mit der Wimper zu zucken legt der saucoole Alt-Kollege den Finger in die Wunden, die der Geschlechterkampf hinterlässt. Wissendes Lachen im Saal lässt auf hohe Wiedererkennung schließen.

Wieder anders dann „Manni, der Rocker“, der eine untergegangene Welt auf die Bühne zaubert, in der Männer noch Männer sind, und Frauen eben Frauen. Die einen sind oben, die anderen unten. Muss sehr lange her sein. Ich bin 50 und kann mich selbst nicht mehr erinnern.

Alles in allem: Ich komme wieder. Schon aus nostalgischen Gründen.