Essen. Ein früheres Gemeindehaus in Essen-Leithe wurde zum koreanischen Kulturzentrum. Doch das Bauamt versagt die Nutzungsgenehmigung, weil angeblich Parkplätze fehlen. Für die Kirche galten noch andere Gesetze.

Die Gastgeber waren stolz, als Bürgermeister Rudi Jelinek zur Einweihung des koreanischen Kulturzentrums „Glückauf“ nach Leithe kam. Das war im Dezember 2009: „Er sagte, wir seien eine Bereicherung für die Stadt“, erinnert sich Haeng-Ja Fischer (69) mit Wehmut. Heute nämlich fühlen sich die koreanischen Vereine in Essen alles andere als willkommen – die Verwaltung macht ihnen das Leben schwer.

Sehnsucht nach Kultur

Haeng-Ja Fischer ist eine der Krankenschwestern, die in den 60er Jahren aus Korea nach Deutschland zogen; sie blieb, gründete eine Familie und empfindet nun im Alter Sehnsucht nach ihrer Kultur. So ergeht es vielen ihrer Landsleute, etwa den Bergmännern, die vor einem halben Jahrhundert ins Ruhrgebiet kamen. Darum wünschten sie sich einen Treffpunkt für koreanische Vereine in Deutschland; ein Traum, der 2009 wahr wurde: Für rund 400.000 Euro kauften sie der katholischen Kirche das Gemeindehaus Meistersingerstraße 90 in Leithe ab.

Beschwerden über Falschparker

Bald nach der Einweihungsfeier begannen die Probleme: Regelmäßig gab es anonyme Beschwerden über Lärm und falsch parkende Autos. Die Koreaner begegneten den Nickeligkeiten mit einer Einladung: Sie stellten sich und ihr Haus vor. „Viele Nachbarn und die Polizei kamen, niemand beklagte sich über uns“, sagt Haeng-Ja Fischer. Der Ärger setzte sich trotzdem fort. Mehrfach seien Vertreter des Bauamtes gekommen: Mal weil jemand im Haus übernachtet habe, mal wegen Lärms: „Da hatten die Musiker ihre Instrumente noch nicht reingetragen.“ Anfang 2012 kam Post von der Stadt: Sie müssten eine Nutzungsänderung beantragen, sonst müssten sie ihre Neujahrsfeier absagen.

Die Koreaner setzten gutgläubig darauf, dass für sie gelte, was für die Kirche gegolten hatte: Die hatte den Gemeindesaal nicht nur für Messen, sondern auch für Feste genutzt. Voll Zuversicht schrieben sie den geforderten Antrag – und bekamen nach fünf Monaten die abschlägige Antwort der Bauaufsicht: Der Antragsteller müsse Architekt sein.

"Korrekten Antrag stellen"

Sie fanden einen Architekten, der in einem neuen Antrag 21 Parkplätze für zwei größere Veranstaltungen im Jahr auswies und sich die nächste Abfuhr vom Amt holte: „Die Anrechenbarkeit der Stellplätze im öffentlichen Verkehrsraum ist (. . .) nicht möglich.“ Heißt: Eine Parkbucht, die die Kirche noch nutzte, ist jetzt tabu. Oder wie der Leiter des Bauamtes, Thomas Franke, auf Anfrage präzisiert: Parken dürfe dort jeder, „aber die müssen ihre Stellplätze auf eigenem Grund nachweisen“. Den Hinweis, dass die Koreaner auf ein Gewohnheitsrecht gesetzt hätten, wischt Franke beiseite: „Die können sich nicht auf früher beziehen. Üblicherweise informiert man sich, bevor man eine Liegenschaft kauft.“ Dass die Bauaufsicht jeden Lösungsvorschlag abwies, geht für den Amtsleiter offenbar in Ordnung. „Wir sind eine Prüf- und keine Beratungsbehörde.“ „Dann müssen die mal einen korrekten Antrag stellen.“ „Vielleicht ist die ganze Nutzung falsch.“ Frankes Sätze bedeuten nichts anderes, als dass die koreanische Gemeinde in Deutschland ihr zentrales Zentrum womöglich überhaupt nicht nutzen kann.

Ortstermin soll eine Lösung bringen

Die katholische Kirche bedauert, dass die neuen Eigentümer solchen Ärger haben. Michael Filthaut vom Kirchenvorstand St. Laurentius betont: „Gefeiert wurde da immer! Und ich glaube nicht, dass diese netten Leute laute Partys schmeißen.“

Tatsächlich sind die meisten der Koreaner um die 70, brave Bürger mit gut ausgebildeten Kindern und feinen Manieren. Sie haben für dieses Haus gespart, sammeln noch, um es zu unterhalten, zu ihrer Heimat zu machen. „Wenn ich in die Straße einbiege, schlägt mein Herz vor Glück“, sagt Haeng-Ja Fischer. Ein Dutzend koreanischer Vereine und christliche Gemeinden treffen sich hier, manchmal wird getanzt: „Koreanische Männer tanzen nicht in der Öffentlichkeit, das ist eine Erziehungssache. Hier tanzen sie.“

"Ortstermin mit dem Bauamt"

Geht es nach Bezirksbürgermeister Arnold Kraemer, soll das so bleiben. „Ich fordere einen Ortstermin mit dem Bauamt. Ich habe das Zentrum zweimal besucht. Wir sind heilfroh, dass wir da keinen Leerstand haben – und so freundliche Nutzer.“

Eine Heimat in der Fremde

Von 1963 bis 1975 kamen 7960 koreanische Bergleute nach Deutschland, meist ins Ruhrgebiet. Im selben Zeitraum folgten 10.500 Krankenschwestern aus Korea dem Ruf aus dem Westen: 3000 arbeiteten an Kliniken in Nordrhein-Westfalen.

Heute leben noch 1700 der Bergleute und 4500 der Schwestern in Deutschland, ein Drittel von ihnen in NRW. So entstand der Plan, hier ein koreanisches Kulturzentrum zu gründen. Seit 1999 sammelten koreanische Gemeinden und Vereine Spenden dafür, 2009 wurden ihre Pläne konkret: Die katholische Kirche verkaufte ihr Gemeindehaus an der Meistersingerstraße in Leithe. Es hatte eine Kita und eine Filialkirche beherbergt; der Gemeindesaal wurde auch für Feste genutzt: „Jeden Monat wurde da gefeiert: Taufe, 50. Geburtstag oder Karneval“, sagt Rechtsanwalt Michael Filthaut, stellvertretender Kirchenvorstand der zuständigen Gemeinde St. Laurentius. „Nie hat jemand verlangt, dass wir mehr Parkplätze ausweisen; auch an Ärger mit Nachbarn kann ich mich nicht erinnern.“ Beim Kauf des Hauses gingen die koreanischen Vereine davon aus, dass auch sie gelegentlich feiern dürften – der großzügige Saal ist dafür bestens geeignet. In den kleineren Räumen im Untergeschoss bieten sie Koch-, Musik- oder Akupunktur-Kurse an. Sie vermitteln ihren Kindern die koreanische Kultur; die früheren Bergleute richteten ein kleines Museum ein. Die Räume gehen auf eine weite Grünfläche hinaus, direkte Nachbarn, die man stören könnte, gibt es hier nicht.

422.000 Euro bezahlten die Vereine für das Gebäude. Mehr als die Hälfte übernahm der koreanische Staat: Damit seine Bürger in der Ferne ein Stück Heimat haben.