Essen. . Viele Lehrer und Schulleiter pendeln zwischen zwei Standorten – mancher hat noch mehr Anlaufstellen.
In Sachen Bildung ist ohne Zweifel der Weg das Ziel – doch wer hätte gedacht, dass das einmal so wörtlich zu nehmen sein würde? Nie waren Lehrer und Schulleiter so viel auf Achse wie heute. Die sinkenden Schülerzahlen und die ständigen Veränderungen der Schullandschaft führen dazu, dass ein großer Teil von ihnen längst an mehr als einem Standort im Einsatz ist. Pendeln im Namen der Pädagogik.
Mehr als 60 Lehrer des Leibniz-Gymnasiums in Altenessen haben dieser Tage einen Brief an die Stadt unterzeichnet. Sie fordern eine Lösung für das Parkplatzproblem am Zweitstandort der Schule. „Da über den Tag verteilt ein reger Verkehr zwischen Hauptgebäude und Abzweig Mallinckrodtstraße herrscht und in den großen Pausen bis zu zwanzig Kollegen von diesem Gebäudewechsel betroffen sind“, reichten die dortigen Stellplätze nicht aus. Folge der Parkplatzsuche zwischen den Stunden: „Unentbehrliche Gespräche mit Kollegen und Schülern werden unmöglich.“
Unabdingbar ist einausgetüftelter Stundenplan
Nun sind Parkplatzprobleme freilich nur eine besonders augenfällige von vielen Randerscheinungen, die die Doppel-Zuständigkeiten mit sich bringen. Es brauche eine unheimlich gute Organisation, um zwei Standorte unter einen Hut zu bekommen, sagt Christian Ponten. Er leitet seit dem Sommer die Franz-Dinnendahl-Realschule in Kray und übernahm damit gleichzeitig die neue Zuständigkeit für die Richard-Schirrmann-Realschule in Schonnebeck. Je nach Verkehrslage braucht er zwischen zehn Minuten und einer halben Stunde, um von Kray dorthin zu fahren. Ponten plant seine Woche deshalb möglichst so, dass er einen Tag komplett in Schonnebeck verbringt.
Auch die Stundenpläne sind darauf ausgerichtet, dass Lehrer tageweise hier oder dort im Einsatz sind. „Ein Wechsel in der Pause wäre nicht möglich“, sagt Ponten. Dass die Schüler hin- und herwechseln, erst recht nicht. „Das ist eine Himmelfahrt.“ Noch lasse es sich machen, dass nur einzelne Lehrerkollegen an beiden Standorten unterrichten müssen – aber wer weiß, was nach den nächsten Anmeldungen und Pensionierungen ist?
Und es sind ja nicht nur organisatorische, sondern zugleich inhaltliche Herausforderungen, die die Zusammenlegung von Schulen mit sich bringt, sagt auch Markus Schneider. Er ist für die Leither Grundschule ebenso verantwortlich wie für die Zweigstelle an der Meistersingerstraße in Kray, die frühere Ostschule. Die Schulen sind rein geografisch zwar nur einen guten Kilometer voneinander entfernt, ansonsten aber liegen zwischen ihnen Welten, sagt Schneider. „In Kray gibt es eine ganz andere Schülerstruktur, die ganz andere Unterrichtskonzepte nötig macht. Das kann man nicht vereinheitlichen.“
Doppelmandate vor allem bei den Grundschulen
Bei den Grundschulen werden besonders häufig zwei Standorte aus einer Hand geführt. Viele Leitungsstellen sind unbesetzt, zu wenig attraktiv ist der Posten. Anders als der Schulleiter arbeiten die Lehrer der Grundschulen in der Regel ausschließlich an einem der beiden Standorte. Viel unterwegs sind dafür die Sonderpädagogen, auf die es in Zeiten der Inklusion besonders ankommt, die den einzelnen Schulen in vielen Fällen aber nur stundenweise zugeordnet sind.
König der Bildungsreisenden in Essen dürfte Hauptschulleiter Wim Roß sein. Der beherzte Verfechter der schwindenden Schulform hat inzwischen drei Standorte unter sich: die Hauptschule an der Bischoffstraße sowie deren Abzweige an der Bonifacius-straße – ehemals Hauptschule Schetters Busch – und der Kapitelwiese. Er sei an allen drei möglichst oft präsent, so Roß. Eine „Rundreise“ umfasst sechs Kilometer, doch dem Pädagogen kommt kein Wort der Klage über die Lippen. Es gebe an jedem Standort einen Konrektor, zudem erleichtere der moderne Datenaustausch vieles. „Ich habe es ja so gewollt.“