Essen. Heilpädagogin Kirsten Becker aus Essen betreut im Rahmen des Projekts „Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“ Kinder, in deren Familie jemand unheilbar erkrankt ist. Und sie berät Eltern, die sich fragen, wie sie zu Hause mit dem Thema umgehen sollen – am besten offen, sagt die 37-Jährige.

Schon Worte können darüber entscheiden, wie ein Kind den Tod eines geliebten Menschen verpackt. „Die Oma ist eingeschlafen“, heißt es oft mit einem verbreiteten, beschönigenden Bild. Doch was gut gemeint ist, muss nicht immer gut sein. Wenn Tod und Schlaf gleichgesetzt werden, „dann gibt es Kinder, die bekommen Angst vor dem Einschlafen“, sagt Kirsten Becker. Die 37-Jährige versucht, Ängste zu nehmen. Sie betreut junge Menschen, in deren Familie ein Eltern- oder Großelternteil unheilbar krank ist.

Keine Trauerbegleitung bietet die Heilpädagogin an, sondern eine altersgerechte Begleitung beim Abschiednehmen. Frühzeitig geht sie in die Familien, macht sich gemeinsam mit allen Beteiligten Gedanken, wie das Unausweichliche thematisiert werden kann. Denn thematisiert werden sollte es, davon ist Kirsten Becker überzeugt. „Kinder müssen nicht alles wissen, aber man muss ihnen die Wahrheit sagen.“

Die Illusion einer heilen Welt erschöpft Kind und Eltern gleichermaßen

Oft wollten Eltern ihre Kinder schützen und ihnen am liebsten überhaupt nichts von der tödlichen Krankheit erzählen. Doch das sei für beide eine erhebliche Belastung. Für die Eltern, die sich – ohnehin verzweifelt ob des drohenden Verlusts – noch einmal zusätzlicher Energie berauben, um für ihr Kind eine Kulisse aufbauen zu können. Und für das Kind, weil es sowieso spürt, dass ihm etwas vorenthalten wird – schon allein, weil der Alltag der Familie sich ändert, aber auch, weil es Antennen für unausgesprochenen Kummer seiner Eltern hat.

„Kinder haben dann das Gefühl, nicht teilhaben zu dürfen, ausgeschlossen zu sein.“ Und der Familie fehle das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Zeit, in der sie es doch besonders dringend braucht. Kirsten Becker macht Eltern deshalb Mut, ihre Gefühle zu teilen – auch wenn das bedeutet, Kindern die Illusion zu nehmen, Erwachsene wüssten immer, wo es langgeht, und die eigenen Eltern erst recht. „Kinder können auch unsichere Eltern ertragen.“ Was sie weniger gut ertragen können, ist eine vorgespielte Sicherheit, die sie außen vor lässt.

Beraterin steht Kindern zur Seite

Den Eltern steht Kirsten Becker also mit Rat zur Seite, in erster Linie jedoch hat sie die Kinder und Jugendlichen im Blick. „Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“, heißt das Projekt, das sie seit dem vergangenen Frühjahr aufbaut, und den Titel nimmt sie genau. Sie kümmert sich bei ihren Besuchen vor allem um die Jüngsten der Familie. Wobei es sich tatsächlich um Kleinkinder handeln kann, genauso aber um Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden.

Je nach Alter unterscheiden sich die Methoden, mit denen Kirsten Becker arbeitet. Dem dreijährigen Kind etwa nähert sie sich auf kreative und spielerische Art und Weise. Da werden „Erzählsteine“ bemalt und verziert, denen man sich anvertrauen, die man mit ins Bett nehmen oder in einer Schublade aufbewahren kann. Mit der Abiturientin dagegen, deren Mutter zu Hause im Sterben liegt, unternimmt Becker regelmäßige Spaziergänge. Gemeinsam entwickeln die beiden Ideen, wie die junge Frau der Verantwortung für die Familie gerecht werden und zugleich ihren eigenen Weg ins Leben weiterverfolgen kann, auch wenn der Tod sich dabei zu ihr gesellt hat.

Kontakt

Das Projekt „Schwere Last von kleinen Schultern nehmen“ ist an den Kliniken Essen-Mitte angesiedelt. Kirsten Becker ist erreichbar unter 0174/243 66 und per Email an ki.becker@kliniken-essen-mitte.de. Ihre Arbeit finanziert der Verein Menschenmögliches.

Ein ähnliches Angebot macht die Krebsberatung des Paritätischen in Essen, in diesem Fall ermöglicht durch die Anneliese-Brost-Stiftung. Kontakt unter 01 76/99 32 67 60.