Essen. . Im „Spatzennest“ feiern heute 18 Kinder den Heiligabend ohne ihre Familien.

Plätzchen in allen Variationen haben die Kinder bereits vor Wochen gebacken (und längst aufgegessen); Es duftet nach Tannenbaum im ganzen Haus. Im Hintergrund wird „O du Fröhliche“ geträllert – Weihnachten ist wahrlich ein frohes Fest, eines, das man mit seinen Liebsten verbringt, mit der Familie. Normalerweise. Nicht für die derzeit 18 Mädchen und Jungen in der Kindernotaufnahme „Spatzennest“.

Ruhe und Sicherheit geben

„Für sie ist es das erste Weihnachten, das sie nicht zu Hause verbringen. Das ist einerseits sehr traurig, andererseits wird das Fest bei uns ganz anders gestaltet und gefeiert als sie es kennen“, sagt Leiterin Martina Heuer. Ihre Mitarbeiter, allesamt Pädagogen, versuchen den Kindern in dieser zwiegespaltenen Zeit viel Ruhe und

Sicherheit zu bieten. „Sie sind sehr unruhig. Oft kommen ihre Emotionen hoch. Einige werden weinerlich und wollen nach Hause. Sie wissen aber, dass das nicht geht“, berichtet Gruppenleiter Daniel Raifura aus den Erfahrungen vergangener Jahre. Für manche Kinder sind die Feiertage im Spatzennest die erste Weihnacht ohne die Polizei. „Diese Erfahrung ist für viele etwas ganz Neues. Oft gibt’s bei ihnen zu Hause Streitigkeiten, die eskalieren, wenn die Familie an den Feiertagen aufeinander hockt“, so Heuer. Die Weihnachtszeit im Spatzennest sei daher in allen Belangen etwas Besonderes für die „Spatzen“.

„Es wird gebastelt, gebacken, wir gehen gemeinsam auf Weihnachtsmärkte, gucken weihnachtliche Filme und lesen Geschichten“, schildert Daniel Raifura die besinnliche Zeit des Spatzen-Jahres. Je näher die Bescherung rückt, heute gegen 16 Uhr, desto größer werden die Zweifel vieler Kinder. „Die Angst ist immer da: Bekommt man etwas, bekommt man nichts?“, weiß Heuer. Denn so ein echtes, persönliches Geschenk – Spiele, Teddys, ein Modellauto – hat manches Kind noch nie bekommen. Sie sind es von zu Hause nicht gewohnt. So erklärt sich, dass viele gar nicht wissen, was sie sich wünschen dürfen. „Sie fragen dann, wie teuer das sein darf. Meist haben sie keine

Riesenwünsche und sind sehr realistisch“, sagt Heuer. Anstatt der Spielekonsole, der Modellrennbahn oder dem Computer steht manchmal nur ein Kartenspiel auf dem Wunschzettel, „weil sie die Sorge haben, bei teureren, größeren Wünschen leer auszugehen“, erzählt Raifura. Das gehe so weit, dass sich manche Kinder bereits riesig über eine Tafel Schokolade freuen und sagen: „Boah, ich bekomm’ die nur für mich alleine.“

Plätzchen und Brot gehortet

Immer wieder finden Raifura und seine Kollegen gehortetes Brot oder Plätzchen auf den Zimmern. Häufig seien es die Kinder nicht gewohnt, regelmäßig etwas zu essen zu erhalten. Vier oder Fünfjährigen auszutreiben, Lebensmittel in Verstecken zu horten, sei „oftmals unmöglich“. Und doch versuchen die Mitarbeiter, den „Spatzen“ ein normales Fest zu bereiten – so normal, wie es unter den schwierigen Umständen eben möglich ist.

Dazu gehören natürlich Geschenke und ein prächtiger Weihnachtsbaum, „den wir gemeinsam mit den Kindern schmücken“, so der ehrenamtliche Helfer Ludger Lappe. Als „Hauself“ sei er dafür zuständig, dass die Lichterkette funktioniert. Und die selbst gebastelte Spitze auf den Baum kommt.

Während die Kinder in ihren Zimmern sind, kommt in der Nacht auf Heiligabend das Christkind vorbei und legt die vielen gespendeten Geschenke der NRZ-Leserinnen und Leser unter die Tanne. Gegen Nachmittag werden Häppchen gereicht, danach ist es endlich Zeit für die Bescherung. „Danach werden sie wohl nur noch spielen und erst am späten Abend zur Ruhe kommen“, sagt Martina Heuer. Für manche geht es am ersten und zweiten Weihnachtstag weiter mit der Bescherung, wenn ihre Eltern zu Besuch kommen und ihnen ein frohes Fest wünschen.

Kindernotaufnahme „Spatzennest“

Die Kindernotaufnahme „Spatzennest“ des Kinderschutzbunds bietet in zwei Häusern bis zu 20 Kindern Schutz und Sicherheit in Krisensituationen. „Es kommen Kinder zu uns, die grob vernachlässigt sind, Kinder von psychisch erkrankten Eltern oder aus Suchtfamilien“, so Leiterin Heuer. Einige haben Missbrauch, Misshandlung oder den Tod der Eltern oder eines Elternteils miterlebt.

Es leben bis zu zehn Kinder im Alter von zwei bis zwölf Jahren in einer Gruppe. Meist sind sie verschlossen, aggressiv oder nicht altersgerecht entwickelt. Sie bleiben in der Regel zwischen einem Tag und anderthalb Jahren.

Dank Ihrer Hilfe, liebe NRZ-Leserinnen und -Leser, können sich die Kinder heute auf die Bescherung und viele Geschenke freuen. Spenden fürs „Spatzennest“ sind weiter möglich: Sparkasse Essen (Konto 290 700, BLZ 360 501 05) oder National-Bank Essen (Konto 114 111, BLZ 360 200 30). Empfänger: Kinderschutzbund Essen, Stichwort „Spatzennest“/NRZ-Aktion. Auf Wunsch wird eine Spendenquittung ausgestellt.