Essen. . Fans und Verantwortliche von Rot-Weiss Essen kritisieren Liga- und Verbandspläne für mehr Sicherheit im Stadion. Unterstützung erhalten sie von der Essener Polizei: Die Situation ums Stadion an der Hafenstraße hat sich  in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Auf den Rängen wird nun protestiert.

Die Abschaffung von Stehplätzen, der Fanschal als verbotener Gegenstand, keine Eintrittskarten für Auswärtsspiele mehr – die Liste der Maßnahmen, die Politik und Polizei in den vergangenen Wochen zur Verbesserung der Sicherheit in deutschen Fußballstadien ins Gespräch brachten, ist lang. Man hofft, auf diese Weise gewalttätige Auseinandersetzungen im Stadionumfeld oder das gefährliche Spiel mit Feuerwerkskörpern eindämmen zu können. Auch unter den Fans und Verantwortlichen von Rot-Weiss Essen sind die Pläne derzeit ein großes Thema. Man sieht sich unter Generalverdacht gestellt.

„In den letzten Jahren ist nie etwas passiert“, sagt Stephan Zimmermann. Zimmermann gehört zu den „Ultras Essen“ – jenen Fans, die Woche für Woche zu Rot-Weiss pilgern. Auch die Polizei, deren Einschätzung sonst selten mit der der Ultras übereinstimmt, hält die Lage für wenig dramatisch: „In Essen kann man sich im und rund ums Stadion sehr sicher fühlen“, sagt Klaus Peter Netz, Einsatzleiter der Polizei bei Heimspielen der Rot-Weissen.

Man beklagt das Ende der Fankultur

Und dennoch: Am 12. Dezember entscheidet die Deutsche Fußballliga (DFL) über Satzungsänderungen, die zu höheren Sicherheitsstandards führen sollen. Auswärtskarten für Derbys könnten verboten werden, ebenso Fanschals und Fahnen. Die könnten schließlich dazu dienen, „die Feststellung der Identität einer Person zu verhindern“, wie es im DFL-Antrag heißt. „So weit darf es niemals kommen“, sagt der RWE-Vorsitzende Michael Welling und spricht damit dem Ultra Zimmermann aus der Seele. „Wenn solche Maßnahmen beschlossen werden, ist das das Ende der Fankultur, wie wir sie heute kennen.“

Deshalb machen die Fans derzeit im Stadion auf die ihrer Meinung nach negativen Auswirkungen der Pläne aufmerksam: Sie schweigen die ersten zwölf Minuten und zwölf Sekunden der Ligaspiele – mit Blick auf die DFL-Sitzung am 12. Dezember. Damit schließen sich die Essener einer bundesweiten Fan-Aktion an. Sie schwiegen erstmals beim jüngsten Heimspiel gegen Lotte, setzten die Aktion am Wochenende in Siegen fort und wollen sie beim Revierduell gegen Rot-Weiss Oberhausen am Samstag beenden. „Wir wollen zeigen, wie emotionslos und langweilig Fußballspiele ohne Stimmung, ohne Fans sind“, erklärt Zimmermann.

Rot-Weiss EssenEin Dauerzustand soll das an der Hafenstraße nicht werden, zumal man hier die Ursache für verschärfte Sicherheitsmaßnahmen vergeblich sucht. „Die Situation hat sich in Essen deutlich verbessert“, sagt Polizei-Einsatzleiter Netz. Ersichtlich sei dies an gesunkenen Einsatzzahlen und weniger Straftaten. Aktivitäten der polizeilich bekannten rund 200 Problemfans im Stadionumfeld habe es zuletzt kaum noch gegeben. Bei den Fans sei seit der Insolvenz 2010 das Bewusstsein entstanden: „Wenn wir uns daneben benehmen, zahlt der Verein dafür.“

Plädoyer für Fanprojekt-Arbeit

Auch die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins im Umgang mit Straftaten und das AWO-Fanprojekt hätten dazu beigetragen, dass in der einst für ihre Gewaltbereitschaft bekannten Fan-Szene ein Wandel eingesetzt habe. „Das Fanprojekt kümmert sich um die jungen Leute und gräbt den Gewalttätern den Nachwuchs ab“, so Netz. Deshalb ist Andreas Hillebrand, Geschäftsführer der Essener Grundstücksverwaltung, auch zuversichtlich, in der Frage neuer Räumlichkeiten für das Projekt „irgendwie eine finanzierbare Lösung zu finden“.

Worte, die Michael Welling gerne hören dürfte. „Das AWO-Fanprojekt spielt eine ganz wichtige Rolle für unsere Fan-Arbeit.“ Eine Arbeit, die auch dem Ruf des Vereins zu Gute kommt. „Wer immer noch glaubt, bei RWE laufen nur randalierende Horden herum, der liegt einfach falsch“, sagt Welling. „Allerdings gibt es in jeder Fan-Szene auch einzelne Personen, die den Fußball missbrauchen.“ Gegen die gehe man vor – auch ohne neues Sicherheitskonzept und, sobald diese zur neuen Saison freigegeben wird, mit einer stimmungsvollen Stehplatztribüne.