Essen. . Auf dem Carolinenhof in Kettwig trainieren Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen durch Reiten ihre Bewegungsfähigkeit. Hippo-Therapie ist ein Weg, um Vertrauen zu fassen: zum Tier und zu sich selbst.
„Hallo Ronja“, ruft Tom (12), als er im Rollstuhl in die Stallgasse fährt. An der Rampe steht das geduldige Fjordpferd. Hippo-Therapeutin Ulrike Wölker legt Gurte um Toms Beine, die er wegen einer Spastik sehr eingeschränkt bewegen kann. Ein Lift hebt ihn über die Stute, seine Füße gleiten links und rechts am Pferderücken hinab. Tom streichelt Ronjas Mähne, bevor sie ihn in die Reithalle trägt.
Elebnis im Vordergrund
Der integrative Reiterhof in Kettwig bietet neben Hippo-Therapie auch heilpädagogisches Reiten und integrativen Reitunterricht für Kinder mit und ohne Beeinträchtigung. Denn der Carolinenhof ist weder reiner Therapiehof noch Turnierstall. Statt Leistung soll das Erlebnis für die Kinder zählen.
Eltern soll der Hof Erholung bieten, immerhin liegt das Anwesen inmitten von Feldern und Weiden, weitab von der Alltags-Anstrengung vieler, die hierher kommen, die einfach mal einen Kaffee im gemütlichen Reiterstübchen trinken, sich mit anderen austauschen, während Therapeuten ihre Kinder betreuen und deren Geschwister im Heu liegen.
Physiotherapie zu Pferd
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An Toms Seite bleibt Ulrike Wölker, hält ihn wenn nötig fest. Mitarbeiter Philipp Tanzmann führt das Pferd. „Hippo-Therapie ist Physiotherapie auf dem Pferd“, erklärt Silke Meyer zu Riemsloh (34). Wer da oben sitze, der muss sich von dem Tier bewegen lassen, sagt die Hippo-Therapeutin: Es geht immer um Motorik und darum, das Gleichgewicht zu halten. Bei Kindern, die keine Kopf- und Rumpf-Kontrolle haben, steigt sie mit aufs Pferd.
Tom hat mit dem Reiten im Kindergartenalter angefangen, erzählt Mutter Britta Weinmann. Schon damals habe sie ihn schlechter wickeln können, wenn er lange nicht geritten ist. Denn das Reiten lockert seine Beine, seine Muskelspannung im Rumpf verbessert sich, er stärkt seine Muskeln in den Oberschenkeln, erklärt die Therapeutin. Heute läuft Tom auch mit Hilfe eines Rollators.
Selbstbewusstsein steigt
Für Max ist das Reiten Hobby, kerzengerade sitzt er auf dem Haflinger und hält die Zügel in seinen Händen. Max hat das Down-Syndrom, das Reiten im integrativen Unterricht schenkt ihm Selbstbewusstsein und entspannt ihn später. Im Sattel aber, da konzentriert er sich voll auf die Stute Ninette.
Das Pferd als Partner, das Konzept soll auch den sozialen Kontakt und die Beziehung fördern, erklärt Silke Meyer zu Riemsloh. Die Kinder und jungen Erwachsenen (bis 27 Jahre) lernen auf dem Hof ebenso, das Tier bewusst wahrzunehmen. Geruch, Wärme, weiches Fell.
Therapie gegen Bulimie, Angst und Depression
Auf der Stallgasse striegeln sie das Pferd, bürsten Schweif, kratzen Hufe aus und satteln es, erklärt Sibylle Braun vom Carolinenhof ihre Philosophie, die mehr bedeutet, als auf ein gesatteltes Tier zu steigen. Manche Kinder legen sich zunächst auf den Pferderücken. Auf die jungen Reiter warten dafür die Shettys Mini und Bobbel (106 und 90 cm klein).
Die Pferde bildet Silke Meyer zu Riemsloh aus, damit die Fluchttiere Schreie und Regenschirme aushalten, die sich plötzlich öffnen. Beim heilpädagogischen Reiten steigen dann Kinder auf, die Autisten sind, unter Bulimie, Angststörungen oder Depressionen leiden. Mit ihnen arbeitet Reitpädagogin Rita Hölscher-Regener. Ein Mädchen, das in der Schule kein Wort sagte, hat auf dem Hof plötzlich gesprochen: vier Sätze. Magersüchtigen kann ein Pony helfen, den eigenen Körper wieder zu spüren und Nähe zuzulassen.
Tom hatte anfangs Angst vor Pferden, berührte sie nicht. Autos fand er sowieso viel interessanter, erzählt seine Mutter lachend, während ihr Sohn mit Hilfe von Ronjas Rücken zurück in den Rollstuhl gleitet. Vor einem Jahr hat er die Stute erstmals gestreichelt. Vor wenigen Tagen hat Tom das Pferd zum ersten Mal in den Arm genommen.
Carolinenhof, Oefte 10, Essen-Kettwig, Tel: 02054-93 66 580, www.carolinenhof.org