Holsterhausen/Werden. . Die Holsterhauser Schülerpraktikantinnen Tami Stritzke und Lisa Gerzeschniok lernten auf dem Büker-Hof des ehemaligen SPD-Ratsherrn Dieter Michael viel über artgerechte Tierhaltung.
Neue Erfahrung für die beiden Neuntklässlerinnen und Pferdefreundinnen Tami Stritzke (15) und Lisa Gerzeschniok (14) von der Gesamtschule Holsterhausen: Statt Mathe und Englisch zu pauken, verbrachten sie im Rahmen ihres Schulpraktikums drei Wochen auf dem Büker-Hof in Werden - und lernten dabei viel über artgerechte Pferdehaltung.
Ihr „Chef“ ist in Holsterhausen kein Unbekannter: Dieter Michael (60), bis Ende der 1990er über ein Jahrzehnt für die SPD im Rat, kaufte vor elf Jahren den Büker-Hof und richtete dort einen Offenstall ein. Von den 13 Pferden, die derzeit auf dem mehrere Hektar großen Gelände leben, gehören sechs dem Architekten, der auf dem Hof eine Art Aussteiger-Dasein führt. „Ich habe jahrelang hier vor dem Tor gestanden, und als der Hof verkauft wurde, konnte ich nicht widerstehen“, erinnert sich Michael.
Dass Michael heute in einem alten Stall fast ohne Komfort lebt und die Pferde quasi durch sein Wohnzimmer laufen, ist schon ungewöhnlich. „Eigentlich hatte ich Angst vor Pferden“, sagt Michael. Als sein heute 23-jähriger Sohn - als Spastiker auf den Rollstuhl angewiesen - eine Hippo-Therapie, eine Form des therapeutischen Reitens, benötigte, beschäftigte sich der Vater notgedrungen mit Pferden. Und was er dabei sah und erlebte, erschreckte ihn: Pferde, als Herdentiere eingesperrt in Boxen ohne Kontakt zu Artgenossen, Fluchttiere ohne Chance, wegzulaufen, ohne Möglichkeit, Stress durch Bewegung abzubauen - das wollte er auf keinen Fall.
Mit dem alten Hof - der Kotten Thiergarten, später Büker-Hof, wurde schon im 17. Jahrhundert erwähnt - mit dem Außengelände konnte er seine Vorstellungen von Tierhaltung verwirklichen - und gibt diese jetzt gern an den interessierten Nachwuchs weiter. Und so verlebten Tami Stritzke und Lisa Gerzeschniok spannende, aber auch arbeitsreiche Praktikumstage auf dem Hof. „Morgens haben wir erst mal abgeäppelt“, berichtet Tami. Für die Schülerinnen, die seit Jahren reiten und selbst ein Pferd beziehungsweise eine Reitbeteiligung besitzen, war das kein Problem.
Wenn das Gelände von den Hinterlassenschaften der Vierbeiner befreit war, konnten sie Traktor fahren, reiten und der auf dem Hof tätigen Hufheilpraktikerin Jenny Mahfouth bei der Hufpflege helfen. „Hier laufen die Pferde alle ohne Hufeisen. Schließlich wird ein Pferd ja nicht mit Eisen geboren“, erklärt sie. Die Hufe unterstützten das relativ kleine Herz des Pferdes. Eisen verhinderten das, so dass das Herz von beschlagenen Tieren oft überfordert sei. Zudem übernähmen die Hufe eine Funktion beim Stoffwechsel, sorgten durch das Horn für den Abtransport des Abfalleiweißes im Körper.
„Unter heutigen Bedingungen sind Hufeisen nicht erforderlich und bringen eher gesundheitliche Probleme für das Tier“, so die Hufheilpraktikerin. Hufe passten sich von allein der Belastung an, das Horn werde entsprechend härter.
„Pferde müssen laufen, sonst werden sie krank oder aggressiv“, erklärt Dieter Michael. „Kann das Adrenalin, das entsteht, wenn sich die Tiere erschrecken, nicht abgebaut werden, führt das zu physiologischen Problemen.“ Seine Pferde überständen beispielsweise die Silvesterknallerei gut, erschreckten sich kurz, rasten über die Weide und dann sei alles wieder gut. Für Dieter Michael liegt der Erfolg der artgerechten Haltung auf der Hand: „Außer bei Verletzungen ist bei uns nie ein Tierarzt auf dem Hof,“ Viele Wehwehchen könne man alternativ behandeln - auch wenn das zeit- und arbeitsintensiv sei.
16 Stunden am Tag verbringen die Pferde mit Fressen. „Ungewöhnlich ist hier, dass Futter und Wasser sehr weit auseinander stehen und die Pferde so gezwungen sind, sich zu bewegen“, hat Tami Stritzke beobachtet. Auf dem Büker-Hof gibt es eigentlich nur Heu für die Tiere. Da sie sich frei auf dem Gelände bewegen, können sie zusätzlich Blätter und Rinde von den Bäumen knabbern oder Eicheln vom Boden fressen.
Für Tami und Lisa, die die Hofpferde ohne Sattel und „Eisen im Maul“ ritten, war das Praktikum jedenfalls eine lehrreiche Erfahrung - und hat sie bestärkt, später beruflich etwas mit Tieren zu machen. „Die beiden waren eine echte Hilfe. Und es gibt wenig alternative Tierärzte, vielleicht wäre das ja etwas für die Mädchen“, schmunzelt ihr „Chef“ und kocht erstmal einen Kaffee für seine fleißigen Helferinnen.