Essen. . Sie hatten nur den verlorenen Gesprächsfaden wieder aufnehmen wollen, hüben die Möbelhauskette Ikea, drüben die Stadt Essen und dazwischen die Politik. Ärger gibt es wegen eines von Ikea geplanten großen Fachmarkzentrums. Einzelhändler sorgen sich um die Balance in der Innenstadt.
Zu viele unverhohlen drohende „Wenn...-Dann...-Sätze von Seiten des Möbelriesen, dem sein 1993 eröffneter Standort zu knapp bemessen scheint. Und zu viel Sorge, in beide Richtungen, wenn man Ikea wie geplant aus dem Småland abholt. – Wenn man dem Drängen nach einem riesigen Fachmarktzentrum nachgibt, fürchten viele um die Balance der Essener Innenstadt. Und wenn man sich stur stellt, drohen die Schweden, ihre Billy-Regale an der Altendorfer Straße zu räumen.
Bei Jürgen Bessel überwiegen die Bedenken: Als Vorsitzender des Einzelhandelsverbands hat er nach eigenem Bekunden nichts dagegen, wenn Ikea den eigenen Laden aufmöbeln und dabei vergrößern will. Das angeschlossene Fachmarktzentrum aber löst bei ihm nur Kopfschütteln aus: „Flächen-Harakiri“, nennt Bessel die Idee, „das macht uns die Innenstadt kaputt“.
Ärger über Ikea-Drohung
Das Argument, so seien die Kunden heutzutage nun mal gestrickt, hält Bessel für Quatsch: „Wir machen den Kunden doch vor, was sie zu wollen haben!“ Und er ärgert sich über die Ikea-Drohung, den Standort am westlichen City-Eingang aufzugeben („Ich lasse mich nicht erpressen“) genauso wie darüber, dass der Einzelhandelsverband zu der Runde nicht eingeladen war „und sozusagen über unsere Köpfe hinweg“ erörtert wurde: „Ich empfinde das langsam als Unverschämtheit, weil wir es ja letztlich ausbaden müssen.“
Bessels Lob gilt Planungsdezernent Hans-Jürgen Best, der um Rathaus-Galerie und Kettwiger fürchtet, wenn die durch das Einkaufszentrum Limbecker Platz fraglos eingetretene Schlagseite das Ladengefüge zum Kippen bringt: „Wie wollen wir denn gegenüber den Investoren, die in der City etwas bewegen wollen, glaubwürdig bleiben?“ Gerade jetzt, wo nach dem Center-Einschlag eine Art Renaissance eingesetzt habe?
2,9 Millionen Besucher pro Jahr
Selbst das Center gilt mit Blick auf die Wunschliste von Ikea als potenzieller Wackelkandidat. Denn als man einst die Bauvoranfrage für das Fachmarkt-Zentrum einreichte, standen darauf auch ein Markt für Unterhaltungselektronik mit 2.700 Quadratmetern Verkaufsfläche, ein Sport-Fachgeschäft (4.200 qm), ein Laden für Tierbedarf (1.200 qm), ein Markt für Baby-Ausstattung und Spiele (1.250 qm ), ein Schuhladen (700 qm) und Gastronomie (250 qm). Zusammen mit dem künftig deutlich attraktiveren weil neu errichteten Fachmarkt-Zentrum an der Haedenkampstraße, wo der Metro-Konzern im Herbst 2013 neben dem Umzug seines 12.000 Quadratmeter großen Real-Marktes sechs Fachmärkte, ein Garten-Center und zwölf kleinere Shops in zusammengenommen gleicher Größenordnung eröffnet.
Andererseits hat Essen auch was zu verlieren: 2,9 Millionen Besucher zieht das Ikea-Haus pro Jahr, eine Besucherfrequenz, auf die eine Einkaufsstadt ungern verzichten möchte. Unglücklicherweise hat Ikea sich mit Roller jetzt selbst für die Dauer eines 15-jährigen Mietvertrages die Ausbauchancen am Standort genommen. Wenn man also mit Mercedes Lueg nebenan nicht ins Geschäft kommt, wo schon einmal ein Neubau geplant war, ist der von der SPD favorisierte Ausbau des Altstandortes blockiert.
Studienfahrt für Planungs-Politiker
Immerhin, man redet wieder miteinander, und das ist, sagt CDU-Fraktionschef Thomas Kufen, der das Treffen anbahnte, mehr als zuvor: „Ikea muss sagen, was es will, und die Stadt muss sagen, was geht.“
Anfang Dezember, so überlegt die Planungsverwaltung, könnte man eines der Fachmarkt-Zentren der „Inter IKEA Centre Deutschland GmbH“ besuchen, um deutlich zu machen, worüber alle Beteiligten da sprechen: Neun Zentren gibt es derzeit, unter anderem in Köln, Hamburg, Mannheim und Koblenz.
Jürgen Bessel, so scheint’s, muss nicht mehr mitfahren: Für ihn sind die Zentren, auch wenn sie innenstadtnah entstehen „grüne Wiese auf grauem Beton“.