Essen. . Das klassische Familienmodell ist auch für die Kirche nicht mehr das einzig gültige. Bei einem Kongress sucht das Ruhrbistum Antworten auf die Familienbilder der Neuzeit.

Vater, Mutter, Kind und obendrein erzkatholisch, das typische Familienbild wackelt und das nicht erst seit gestern. Dem kann sich auch Bischof Franz-Josef Overbeck nicht verschließen. In seinen Pfarrgemeinden ist die typische katholische Familie nur noch selten anzutreffen - das gilt selbst für Gemeinderäte, Kirchenvorstände oder kirchliche Angestellte. Geschiedene Kindergärtnerinnen oder Kirchenmusiker, selbst das soll es im Ruhrbistum geben. Alleinerziehende, Patchworkfamili­en und andere Formen des Zusammenlebens seien in der Gesellschaft Alltag geworden, betont Overbeck – und nimmt es gelassen: „Es ist, wie es ist.

Lebe die Wirklichkeit, konstruiere sie nicht so, wie du sie gerne hättest“, zitiert der Bischof im Gespräch mit der NRZ einen seiner „Oberleitsätze“. Oberlehrerhaft und weltfremd will er bei seinen Schäfchen nicht ankommen, stattdessen versucht er neue Wege einzuschlagen. „Überspitzt gesagt geht es darum, das Familienmodell des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit allen Vor- und Nachteilen zu verabschieden. Wir müssen uns dem stellen“, sagt Overbeck beim Familienkongress des Ruhrbistums im Essener Mariengymnasium.

Familienarbeit profilieren und weiter vernetzen

So unterschiedlich die Menschen und Familienbilder heute auch sind, eines sei auffällig, dass zum Familienleben Bindungen gehörten. Solche „Bindungen machen stark“, blickt Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in die Zukunft – eine, in der sich auch sein Bistum weiterentwickeln müsse, wenn es um die Familie gehe. Sich mit un­terschiedlichen Familienmodellen dieser Zeit zu beschäftigen, die Famili­enarbeit zu profilieren und weiter zu vernetzen, sei in den nächsten fünf Jahren ein zentrales Thema im Bistum, betont er vor den rund 200 Kongressteilnehmern.

Vom Kurs der katholischen Kirche mag der Bischof dennoch nicht abdriften, wohl aus Sorge, sonst Schiffbruch zu erleiden. So rudert Overbeck gleich im nächsten Satz wieder ein Stück zurück: „Ich glaube dass wir – bischöflich gesprochen – als Lehramt gut beraten sind, von gelingenden Vorstellungen zu reden. Dazu gehört eine Ehe von Mann und Frau mit Kindern.“ Es sei wichtig, über die Tugenden und Werte des Familienlebens zu reden und nicht von den klassischen dogmatischen Bestimmungen, wie Familienleben auszusehen hat.

Dass bei Bindungen das Scheitern heute eine wichtige Rolle spielt, damit müsse man sich beschäftigen – und das wohl auch in den eigenen Reihen. Immerhin diskutiert Overbeck derzeit auch auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz wie die Kirche künftig mit wiederverheirateten Geschiedenen umgeht – und zwar sowohl als gewöhnliche Gemeindemitglieder als auch als kirchliche Angestellte.

Gesellschaft und Politik müssen sich dem veränderten Familienbild stellen 

Doch nicht nur die Kirche müsse sich dem veränderten Familienbild und sich wandelnden Wirklichkeiten stellen; dies gelte auch für die Gesellschaft und Politik, betont Gastredner Wassilios Fthenakis, Professor für Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universität Bozen. Familien in ihrer Autonomie und Eigenverantwortung zu stärken, eine Famili­enpolitik zu betreiben, die von den Bedürfnissen der Familie ausgeht, seien Merkmale zeitgemäßer Politik. Fthenakis: „Solange es in Deutschland noch Städte gibt, die auf Schildern Kindern verbieten zu spielen, ist dieser Prozess noch lange nicht zu Ende.“ Es sei wichtig, dass die Gesellschaft mehr Verantwortung für Kinder und Familien übernehme. Kindliche Rechte zu stärken und Bildungschancen zu verbessern, sei der richtige Weg zum Ziel.

Bischof Overbeck in Duisburg

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Dr. Angelika Engelbert, Dozentin am Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung an der Uni Bochum, blickt auf die Kommunen und auf deren Versäumnisse. Dass Familien in Kommunen oft nur eine untergeordnete Rolle spielen, macht sie ganz simpel am Zuschnitt der Dezernate fest: „Denn dort tauchen Familien häufig gar nicht auf.“ Die Lebenswirklichkeiten von Famili­en endlich in den Blick nehmen, gelte daher für die Kirche wie für die Politik.

Familienkampagne im Bistum Essen

Der Familienkongress des Bistums Essen ist Teil der Kampagne „Familienfan – Bindung macht stark“, an dem ebenfalls die katholischen Familienbildungsstätten, der Caritasverband fürs Bistum, die Katholische Arbeitnehmer Bewegung, der Kolping Diözesanverband, der KiTa Zweckverband und das Siedlungshilfswerk mit eigenen Aktionen und Schwerpunkten beteiligt sind.

Abgeschlossen wird die Familienkampagne des Bistums am 30. Dezember mit einem Gottesdienst unter dem Titel „Fest der Heiligen Familie“ um 10 Uhr in der Hohen Domkirche zu Essen. Weitere Informationen gibt es unter: www.familienfan.de