Essen. . Kaplan Stephan Markgraf hat sich erst mit 30 Jahren entschieden, katholischer Priester zu werden. Sein Schicksal wurde von Gott geleitet, ist er überzeugt. Von seinem Plan, eine Familie zu gründen, hatte er sich da schon verabschiedet. Dennoch möchte er seine Lebenserfahrung nicht missen.

„Ich habe oft in meinem Leben eine Fügung verspürt und bin überzeugt, dass Gott dafür verantwortlich ist“, sagt Stephan Markgraf und man merkt, dass es keine einstudierte Floskel ist, die der 39-Jährige bemüht. Markgraf ist frisch geweihter katholischer Priester, und, wenn man es so ausdrücken darf, mit Leib und Seele dabei, diese Berufung auszufüllen.

Eine Berufung, die spät kam. Zwar war der Sauerländer schon früh in der katholischen Kirche verwurzelt, engagierte sich als Messdiener, Pfadfinder und Jugendleiter, doch nach dem Abitur hat er erstmal ein Handwerk erlernt. „Ich kann gut zeichnen und bin künstlerisch interessiert und begabt.“ Zahntechniker war sein erster Gedanke, doch nach einem Berufsinfo-Nachmittag des Rotary Clubs fand er sich in einer Goldschmiede wieder - und blieb. „Schon da hatte Gott seine Finger im Spiel“, lacht Markgraf.

„Ich habe meinen Grenzen gespürt und war gleichzeitig ratlos“

Priester, diese Vorstellung war weit entfernt. Obwohl „ich als Jugendlicher mal ganz kurz daran gedacht habe“. Einen Idee, die er schnell verwarf: Eine eigene Familie zu gründen lautete sein Plan für die Zukunft. Und wieder kam es ganz anders: Statt nach der erfolgreichen Lehre als Geselle sein Geld zu verdienen, begann Markgraf ein Medizinstudium, angetrieben von der Vision, später als Arzt im Entwicklungsdienst zu arbeiten.

Das Physikum ließ den neuen Lebensentwurf scheitern: Zwei Mal fiel Markgraf durch. Der Wille Gottes? „Sicher“, sagt der Kaplan mit fester Stimme. Statt an sich zu zweifeln, stellte er Gott die Frage: Was hast Du mit mir vor? „Ich habe meinen Grenzen gespürt und war gleichzeitig ratlos, wusste nicht wirklich weiter.“ Ein Glaubenskurs für Erwachsene und eine Pilgerreise nach Santiago de Compostela öffneten sein Herz und seine Augen: „Gott möchte, dass ich Priester werde“, diese Vorstellung war auf einmal ganz klar.

„Ich möchte meine Lebenserfahrungen nicht missen“

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Von der Familienplanung hatte er sich da längst verabschiedet. „Ich hatte die Frau meines Lebens schon getroffen, doch daraus ist nichts geworden.“ Kein Bedauern liegt in seiner Stimme. Im Gegenteil: „Ich möchte meine Lebenserfahrungen nicht missen.“

Die bringt er ein, in seine Gemeinde, seine Predigten, seine seelsorgerische Arbeit.: Mit seiner offenen, dem Leben zugewandten Art hat er zuletzt in der St. Dionysius Gemeinde in Borbeck gewirkt, wo er nach fünfjährigem Studium seine Diakonzeit verbrachte. Zwei Jahre, die seinen Glauben und seine Entscheidung, Priester zu werden, noch gefestigt haben. Jetzt ist er als Kaplan in der Bochumer Liebfrauenkirche gerade angekommen. Mit den Menschen seiner neuen Gemeinde möchte er entdecken, „wo Gott wirkt“. Immer wieder, so Markgraf, gebe es im Leben von Menschen Momente, wo Himmel und Erde sich berühren würden. „Manche nennen es Schicksal, ich nenne es Gott“, ist Markgraf, mit Blick auf seinen eigenen verschlungenen Lebensweg, überzeugt.

Dass man bei Stephan Markgraf das Gefühl hat, da steht ein Priester mitten im Leben, hat auch was mit seinem festen Freundeskreis zu tun, der ihn seit seiner Jugendzeit begleitet und alle Entscheidungen mit verfolgt hat. „Jedes Jahr fahren wir über Silvester für vier Tage weg.“ Auftanken nennt er das. Hier ist er als katholischer Priester kein Exot, sondern einfach nur Stephan aus Lüdenscheid.