Essen. . Trainingszeiten für Essens Hallensportler sind knapp. Der Sport macht dafür den Offenen Ganztag verantwortlich, die Stadt fordert mehr Kompromiss-Bereitschaft. Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht.

Nachmittags um vier raus aus der Schule, eine Stunde später rein in der Sporthalle. Danach heim, schnell ins Bett, denn morgen um acht ist ja wieder Schule. Die Kinder machen es mit, ihrem Sport zur Liebe. Doch viele Vereine hadern mit den langen Schulzeiten, die der Ganztag mit sich bringt: „Das ist ein großes Problem des Sports geworden“, weiß Wolfgang Rohrberg, Geschäftsführer des Sportbunds.

Denn der Zeitdruck durch die längeren Schulzeiten „löst einen Domino-Effekt für alle Mannschaften aus“, sagt Rohrberg. Klar, wenn die Kinder bislang eine Stunde eher trainieren konnten, war hinten heraus mehr Luft.

SGÜ größter Handballverein der Stadt

Ein Verein, der sich davon besonders betroffen sieht, ist die Spielgemeinschaft Überruhr – mit 21 Mannschaften Essens größter Handballverein. Deren Vorsitzender Jörg Simon äußerte jetzt seine Sorgen in einem Brief an Sportdezernent Andreas Bomheuer. Trotz aller sportlichen Erfolge – allein drei Jugendteams spielen in der höchsten Verbandsklasse – könne keine einzige Mannschaft alleine in einer Sporthalle trainieren.

Die bunte Vielfalt des Essener Sports mal ganz anders

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    Ein Zustand, den man beim Handballkreis Essen kennt, und der Uwe Schumacher, den Vorsitzenden der technischen Kommission, ratlos macht: Man könne Hallen erst später nutzen, habe aber andererseits keine Möglichkeit, diese Zeit wieder reinzuholen: „Die meisten Hallen werden bereits täglich bis 22 Uhr genutzt, länger geht es nicht.“ Danach greift die gesetzliche Nachtruhe und „auch die Hausmeister wollen irgendwann Feierabend machen“, sagt Schumacher.

    Vereine übernehmen die Schlüsselgewalt

    Dass aufgrund der Einsparungen im öffentlichen Dienst dort demnächst zusätzliche Stellen wegfallen und die Vereine die Schlüsselgewalt übernehmen sollen, hilft beim eigentlichen Problem nicht weiter. Um 22 Uhr muss Schluss sein. „Damit müssen sich die Vereine wohl arrangieren“, meint Schumacher resignierend.

    Überruhr gibt nicht auf 

    So einfach aufgeben möchte man bei der SG Überruhr aber nicht. „Wir glauben, dass wir es unseren Aktiven schuldig sind, für ausreichende Trainingsmöglichkeiten zu kämpfen“, schreibt der Vorsitzende Simon an Dezernent Bomheuer. Dessen zuständige Mitarbeiterin für die Vergabe von Hallenzeiten, Christiane Uhlendahl, verweist auf die hohe Vereinsdichte und „dass es in Essen auch noch erfolgreiche Sportarten wie Tischtennis, Volleyball, Basketball oder Turnen gibt“.

    Insgesamt muss sie 72 Vereine auf gerade mal 29 Großraumsporthallen verteilen. Darunter auch den Vereinsgiganten Tusem Essen, der in 15 Abteilungen rund 2000 Sportler beheimatet und ihnen Sporthallen zur Verfügung stellen muss. „Auch bei uns ist das Thema, gerade durch den Erfolg der Handball-Herren, wieder aktueller, aber wir arbeiten da sehr gut mit den Sport- und Bäderbetrieben zusammen“, erklärt Tusem-Präsident Ulrich Gaißmayer. So nutze man mittlerweile bis zu zehn Sporthallen über die ganze Stadt verteilt. „Abteilungen wie der Basketball in Schönebeck haben sich dann einfach dort angesiedelt wo es freie Hallenzeiten gab“, erklärt Gaißmayer.

    TUSEM scheitert an sich selbst

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      Im Fall der SG Überruhr sei das freilich nicht so einfach, „der Verein ist fest im Essener Süden verwurzelt“, erklärt Jörg Simon. Ein Angebot, zusätzliche Hallenzeiten im Handballleistungszentrum Frohnhausen zu nutzen, lehnte der Verein mit Verweis auf die weiten Wege ab.

      "Das muss sich doch organisieren lassen!"

      Kein Einzelfall, weshalb Christiane Uhlendahl von den Vereinen mehr Bereitschaft zu Zugeständnissen fordert. „Wenn der Bedarf so groß ist, muss sich das doch organisieren lassen“, sagt sie mit Blick auf den Überruhrer Fall. Dort bringt der Vize-Vorsitzende Thomas Schlicht eine „grundsätzliche leistungsorientierte Neuregelung der Verteilung“ ins Gespräch. Ob am Ende der Tabellenstand über die Hallenzeiten entscheiden soll?

      Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht: „Das Thema wird uns noch lange beschäftigen“, fürchtet Espo-Geschäftsführer Rohrberg. Denn was hilft’s, wenn Schulen die Hallen für die Vereine eher freigeben? Fraglich bleibt dann nämlich, welcher junge Sportler früh am Nachmittag die Zeit zum Handball-, Tischtennis- oder Basketballspielen finden sollte. Meist sitzt er da im Gebäude nebenan – im Offenen Ganztag in der Schule.