Essen. Die Kooperation zwischen Rot-Weiss Essen und der Gesamtschule Nord geht die nächsten Schritte: Eine zweite Fußballklasse steht vor dem Start, ein Förderverein vor der Gründung. Fernziel bleibt die „Eliteschule des Sports“.
Julian Draxler ist 18 Jahre alt und spielt bei Schalke 04 in der ersten Bundesliga. Als ihm sein Trainer Felix Magath riet, die Schule sausen zu lassen und sich ganz auf den Fußball zu konzentrieren, weil er als Profi ohnehin genug Geld verdienen werde, löste dies einen Sturm der Entrüstung aus. Auch ein Jahr danach kann Horst Melzer über Magaths Worte nur den Kopf schütteln. „Wie kann man einem Jugendlichen nur solche Flausen in den Kopf setzen?“
Melzer und seine Mitstreiter haben einen anderen Weg eingeschlagen. Ein Weg, an dessen Ende eines Tages eine „Eliteschule des Sports“ im Essener Norden stehen soll. Der Olympia-Trainer und Schulsport-Koordinator der Stadt Essen ist der geistige Vater jenes Kooperationsprojektes zwischen Rot-Weiss Essen und der Gesamtschule Nord, das sich zum Ziel gesetzt hat, Jugendliche zu fördern - auf dem Fußballplatz und auf dem Weg zum Schulabschluss.
Eigene Fußballklasse
2011 hat die Gesamtschule an der Förderstraße dafür eigens eine Fußballklasse eingerichtet. Verein und Schule spielen Doppelpass. Die Jugendlichen seien mit Eifer und Disziplin bei der Sache, lobt Andreas Winkler, Jugendkoordinator bei RWE, der die Klasse einmal pro Woche trainiert. „Sie fühlen sich wie die Fußball-Elite der Schule.“ Zu Recht. Auch wenn das ganz große Talent nicht darunter sei.
Das Angebot hat sich herumgesprochen. Bei der Anmeldung für das neue Schuljahr interessierten sich 50 Kinder dafür, nicht nur aus dem Einzugsgebiet. Alle mussten vorspielen, 14 hat Andreas Winkler ausgesucht. Damit die Kinder - und Eltern - auf dem Boden bleiben, hält Schulleiter Thomas Keller den Ball flach. „In erster Linie sind wir Schule.“ Soll heißen: Vorrangiges Ziel sei, den Kindern Bildung zu vermitteln. Fußball ist auch ein Mittel zum Zweck im Essener Norden, wo der Anteil an Kindern unter 14 Jahren besonders hoch ist und wo fast jedes zweite von ihnen in einer sozial schwachen Familie aufwächst. Aber träumen von der großen Karriere, ja, das dürfen sie.
Kleine Schritte zur Eliteschule
Thomas Keller spricht von vielen kleinen Schritten, die zu gehen sind bis zur Eliteschule des Sports. Der nächste Schritt steht jetzt an: die Gründung eines Fördervereins für ein Teilzeitinternat. Die Schüler sollen nach dem Unterricht nicht nur trainieren, sie sollen Mittagessen und Defizite im Unterricht durch Nachhilfe wettmachen. Mit der Uni Duisburg-Essen steht ein Partner bereits in den Fußballschuhen.
Das Projekt böte sich für Sportstudenten geradezu an, in Praktika Training und Unterricht miteinander zu verbinden, sagt Werner Schmidt, Direktor des Instituts für Sportwissenschaft und Sportpädagogik. Im neuen Schuljahr könnten die ersten Studenten an der Gesamtschule Nord auflaufen.
Teilzeitinternat nur ein Zwischenschritt zum Vollzeitinternat
Für Horst Melzer ist das Teilzeitinternat nur ein Zwischenschritt zum Vollzeitinternat. Vorbild ist das Sport- und Tanzinternat in Rüttenscheid, wo seit 2007 Tänzer, Ruderer, Kanuten und Schwimmer erfolgreich an die nationale und internationale Spitzenklasse herangeführt werden. Warum sollte im Norden nicht Vergleichbares für den Fußballnachwuchs möglich sein, in Kooperation mit einem Jugendleistungszentrum wie es der DFB für Profivereine vorschreibt und wie es RWE perspektivisch auf der Bezirkssportanlage an der Seumann-straße anstrebt, fragt Melzer. Es wäre ein raumgreifender Doppelpass.
Das Sportinternat in Rüttenscheid trägt sich durch Mieteinnahmen und durch Zuschüsse, vor allem von Seiten der Sportstiftung NRW. 600 000 Euro pro Jahr kostet der Betrieb. Sponsoren wären für ein Fußball-Internat unabdingbar. Die Kosten für einen Neubau hat Melzer bereits schätzen lassen: vier Millionen Euro. Auch einen Namen hat er parat: „Leistungszentrum am Helenenpark“. Klingt vielversprechend. Und auch Trainer dürfen träumen.