Essen. . Eine Beziehung bedarf Pflege und Streitkultur. Caritas-Kurs bietet Paaren Hilfe – „bevor die Liebe hinfällt“.
„Du verstehst mich nie“, sagt Maria zu ihrem Ehemann Peter. Dabei hat die Mittvierzigerin gerade schon so einen sprichwörtlichen Hals: Sie ist nach Hause gekommen von der Arbeit, wo diese „doofe Kollegin“ sie seit Jahren ärgert und darf sich nun wieder mal die wohl gut gemeinten, aber an ihrem Problem vorbeigehenden Ratschläge ihres Gatten anhören, was die Lösung des beruflichen Konflikts angeht. Die Silberhochzeit hat das Paar schon hinter sich, die Kinder sind mittlerweile groß und aus dem Haus. Kurzum, die Liebe ist noch da, aber den Lebensabend zusammen haben sich beide wohl anders vorgestellt. Vor allem harmonischer.
Solche und ähnliche Geschichten sind es, mit denen sich Rita Cammann-Karpa und Mechthild Klünemann-Haering in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Essener Caritas alltäglich beschäftigen. Die Pädagoginnen helfen in solchen Fällen mit ihrem Angebot an Hilfe- und Ratsuchende – manchmal auch in der Gruppe, damit Betroffene sehen, dass Streit dazugehört. „Bevor die Liebe hinfällt“, lautet der Titel eines Paarkurses, der Ende Oktober beginnt (siehe Infokasten). Eine Art Gebrauchsanleitung zur Beziehungspflege.
Wenn aus dem Knistern ein Kriseln wird
„Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit“ – die Devise, die Hape Kerkeling in seiner Paraderolle als niederländische Therapeutin „Evje van Dampen“ eher belustigend zum Besten gibt, ist für manche Paare eher Belastung als Ansporn. Aus dem ehemaligen Knistern ist ein erstes Kriseln geworden. Probleme von Außen werden in die Beziehung getragen; Lebenssituationen ändern sich, Missverständnisse, Streit, Krankheit, unentdeckte Seiten am Partner – sie alle können die Liebe belasten, so dass sie in Hass, Respektlosigkeit oder Verachtung umschlagen könne. Aus „Mausi“ wird dann mal schnell eine „dumme Kuh“, aus ihm ein „unsensibler Primat“. Je intensiver der Streit, desto größer werden die in den „Kosenamen“ verwandten Tiere. Das könnte man jedenfalls meinen.
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„Wir möchten daher notwendige Dinge beibringen, etwa wie das Streiten lernen“, sagt Rita Cammann-Karpa, Leiterin der Caritas-Beratungsstelle. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Mechthild Klünemann-Haering begleitet sie Paare durch den Kurs. „Die Betroffenen sollen sehen, dass etwa die Alltagsehe kein individuelles Problem ist“, betonen beide. Manche Paare seien im Streit aneinander gebunden – kein guter Zustand. „Denen geht’s doch auch so“ oder „Wir sind doch alle eine Schicksalsgemeinschaft“ sollen die erhofften Reaktionen sein. Denn nicht nur der Gang zu so einem Angebot ist mit Angst behaftet, sondern auch mit Schamgefühl der Teilnehmer untereinander.
Lebensumbrüche als Belastung
Umbruchphasen machen die Pädagoginnen als Grund fürs leichte Kriseln aus – eine Belastungsprobe für eine Beziehung. „Wir wenden uns gegen die strahlende, keine Probleme habende Familie aus der Margarine-Werbung“, erklärt die Leiterin. Die Problematik ist gemäß ihrer Erfahrungen auch keine Frage des Alters. Auch junge Paare gingen die Ehe unter falschen Voraussetzungen ein. „Ein Mensch kann nicht alles für jemanden sein“, sagt Klünemann-Haering über die Funktionen, die der Partner erfüllen müsse. „Welche Lösungsversuche nehmen die Paare mit?“, das sei die Zielfrage für den Kurs.
Die Caritas, obwohl Teil des Bistums, zieht auch bei den Teilnehmern in dem Sinne keine Grenzen. Ob hetero- oder homosexuell, ob Christen, Juden, Muslime, Buddhisten oder Hinduisten, es gehe um die Menschen. „Ein klassisches Klientel gibt es bei uns nicht“, so das Pädagoginnen-Duo. Alter und sozialer Status, das hätten ähnliche Angebote in der Vergangenheit gezeigt, spielten keine Rolle. „Wichtig ist, dass ein Paar zwar den Leidensdruck spürt, aber gleichzeitig auch beide einen Veränderungswunsch haben“, betont Rita Cammann-Karpa. Ohne diesen ginge es nicht.
Streiten gehört zur Beziehung
Aber wie sieht so ein Kurs überhaupt aus? „Wir starten meist mit einem Stuhlkreis, da kommen die meisten mit Herzklopfen“, so die beiden. Es gäbe jedoch keine Vorstellungsrunde unter dem bekannten Motto „Unser Problem ist...“, sondern Übungen, die Kommunikation und Perspektivenwechsel förderten – nicht nur im Sitzen.
Wie spreche ich mit dem anderen? Welche Regeln gibt es im gemeinsamen Miteinander? Wie meistern wir Krisenzeiten? Darum dreht sich das entlastende Angebot. Streit gehört für Rita Cammann-Karpa aber dennoch dazu; sie zitiert ein türkisches Sprichwort: „Ein Haus ohne Streit ist wie eine Hochzeit ohne Musik.“