Essen. . Sie teilen Liebeskummer, Partnerglück und Humor: Bei der Caritas Aidsberatung ist die Anlaufstelle für „Männer mit Handicap, die Männer lieben“ angesiedelt. Trotz der konservativen Haltung der Kirche erhalten sie Unterstützung durch das Ruhrbistum.

Max hat an diesem Morgen Liebeskummer. Der 22-Jährige hat sich in seinen besten Freund verliebt und der hat ihm daraufhin sofort die Freundschaft gekündigt. „Das ist natürlich schlimm“, sagt Max leise. Die anderen Männer am Tisch hören zu. Sie kommen einmal im Monat zum Frühstück bei der Caritas Aidsberatung. Es ist ein Treff für homosexuelle Männer mit geistiger Behinderung.

Max hatte bisher nur Freundinnen, dabei war er schon einmal in einen Jungen verliebt. Seine Eltern wissen, dass sich der 22-Jährige da nicht festlegt, erzählt Max. „Ich hab’s geahnt“, hätten sie gesagt. Sonst hängt Max das aber nicht an die große Glocke: „Ich will das ja nicht wie ein Umhängeschild tragen.“ In ihrem Kreis bei Kaffee, Wurstbrötchen oder Käsebrot sprechen sie über ihre Beziehungen, ihre Sorgen und suchen auch den Rat der anderen. Sie gehen aber auch in die Disco, verabreden sich zu Filmabenden oder grillen.

„Ich habe hier gelernt, mich zu outen“

Peter (47) aus Karnap ist vor zwei Jahren eher zufällig zum Frühstück vorbeigekommen. Er sei ganz schön durcheinander gewesen, sagt Andreas Niehues, der die Gruppe leitet. Doch Peter habe schnell gelernt, sein schwules Leben neu zu entdecken. Mittlerweile lebt er viel eigenständiger und hat seinen Eltern von seiner Neigung erzählt. „Ich habe hier gelernt, mich zu outen“, sagt Peter. Dazu gehörte auch, zunächst herauszufinden, ob er es ihnen überhaupt sagen will. Das wollte er unbedingt. Erst hat er seine Schwester ins Vertrauen gezogen, sie dann gebeten, bei dem Gespräch mit den Eltern dabei zu sein. „Sie fanden das gut“, sagt Peter. Vorher habe er niemanden gehabt, mit dem er habe sprechen können. Jetzt ist Peter glücklich und frisch verliebt.

Karsten auch. Der 44-Jährige erzählt von ihrem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest. Früher ist er allein ausgegangen, hat sich über Feten für Männer in Magazinen informiert. An seine erste Party erinnert er sich ganz genau, damals sei er nach Altenessen gefahren. Was für ein Abenteuer, sagt er. Und dann dachte er: „Wie werde ich unter Normalen angenommen?“ Manchmal sei es auch in seinem Wohnheim schwierig, wenn dort einer komisch reagiere oder ihn beschimpfe, erzählt Peter: „Dann frage ich mich, ob das etwas mit mir zu tun hat.“

„Hier kann ich so sein wie ich bin“

Nun sitzt er entspannt vor seiner Tasse. „Hier kann ich so sein wie ich bin und muss mich nicht verstellen.“ Kann mal einen derben Witz reißen oder aufdrehen, wie Peter es nennt. Männerhumor eben. Die anderen akzeptieren ihn. Früher habe seine Mutter über seine Homosexualität gedacht: „Das wächst sich raus“, erzählt Peter, lacht heute selbst darüber. Sein Vater findet „Schwule im Allgemeinen nicht so toll“. Aber bei ihm, da habe er damit gerechnet und „akzeptiert, dass ich so bin.“

Dabei hätten ihm einige gesagt, dass er eher der Frauentyp sei. Da war es gar nicht so einfach, jemanden kennenzulernen. Nun fühlt er sich wohl und freut sich über die neuen Bekannten, die er durch die Gruppe gefunden hat und die genau wissen, wovon er spricht: „So oft wie wir zusammen auf Feten gehen, bin ich schon lange nicht mehr gegangen“, erzählt Peter ausgelassen in der Runde.

An dem Abend geht auch Max in die Disco. Er hat sich mit einem Freund verabredet, den er beim Frühstück kennengelernt hat und hofft, sich ein wenig von seinem Liebeskummer ablenken zu können.

Freizeittreff, Finanzen, Fragen

Bei der Caritas Aidsberatung ist die Anlaufstelle für „Männer mit Handicap, die Männer lieben“ angesiedelt. Seit 2009 gibt es für die Besucher drei Angebote. Dazu gehört jeden letzten Samstag im Monat das Frühstück. Einmal im Monat findet der Freizeittreff statt, bei dem die Männer grillen, gemeinsam feiern gehen, Kneipen besuchen oder ins Phantasialand fahren.

Beim Beratungsangebot trifft sich eine feste Gruppe (vier bis acht Teilnehmer) 14-tägig, insgesamt zehn Mal. Schwule und bisexuelle Männer sprechen über Sorgen, können Fragen stellen und Rat erhalten. „Die Gruppe hat therapeutischen Charakter“, sagt Andreas Niehues, Sozialarbeiter und Sexualpädagoge. Zu den Themen beim Frühstück und auch der Beratung gehört immer die Aufklärung und Verhütung. Einzelgespräche finden regelmäßig bei Bedarf statt.

Unterstützung durch das Bistum

Manchmal kämen die Männer in einem völligen Gefühlschaos zu ihnen, seien verunsichert. Denn sie gehören in ihrem Leben gleich zwei Minderheiten an, das bedeute oft eine enorme Belastung, erklärt Ingrid Hafner, Leiterin der Beratungsstelle. Den Männern helfen sie, sich und ihr Leben zu stabilisieren.

Die präventive Arbeit der Anlaufstelle werde vom Bischof unterstützt, sagt die Leiterin Ingrid Hafner. Nicht selbstverständlich bei einem sehr konservativen Bistum, weiß sie: „Wir erhalten Unterstützung für unsere Arbeit, obwohl sie nicht die kirchliche Position widerspiegelt.“

Bei der finanziellen Förderung hoffen sie nun auf die Stadt. „Es laufen Gespräche“, sagt Ingrid Hafner. Damit die jährlich benötigten 15 000 Euro in die Regelfinanzierung aufgenommen werden. Die Caritas könne die Anlaufstelle nicht finanzieren. Die Gelder gibt es bislang von Stiftungen wie der Deutschen Aidsstiftung oder der Deichmann-Stiftung. Dafür müssen sie regelmäßig Anträge stellen. Das sei mitunter anstrengend, weil sie nicht längerfristig planen könnten, sagt Niehues. Für die Besucher sind die Angebote (außer Ausflüge) kostenlos. Mehr Informationen unter: 32 00 320 (9 bis 16 Uhr).