Essen. . Der Journalist Andreas Rossmann beschreibt in einem Buch die Neuerfindung des Ruhrgebiets mit den Mitteln der Kultur. Essen spielt dabei eine besondere Rolle. Mit dem Titel “Rauch verbindet die Städte nicht mehr“ beschreibt Rossmann auch den entscheidenden Verlust.

Journalisten von auswärts, die sich ins Ruhrgebiet verguckt haben, gibt es einige, und oft scheint zu gelten: je zugereister, desto verliebter. Kaum einer aber ist der Atmosphäre dieser postindustriellen Stadtlandschaft so gründlich verfallen wie Andreas Rossmann. In Hunderten Texten hat der NRW-Kulturkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die regionale Mischung aus Niedergang und Neuerfindung beschrieben, das Herz voller kritischer Sympathie für Menschen, Orte und Szenen. Die besten Stücke hat Rossmann jetzt in einem Buch zusammengefasst, dessen programmatischer Titel gleich den entscheidenden Verlust benennt: „Der Rauch verbindet die Städte nicht mehr“.

Der Satz spielt an auf eine Reise-Reportage von Josef Roth, die 1926 zu einer Zeit entstand, als der Rauch noch reichlich vorhanden war und Roth dieses Gemeinsame auffiel. Heute bleibt die weiße Wäsche sauber, dafür fragen sich viele Revierstädte mehr oder weniger ratlos, was sie sollen auf der Welt. Rossmann kann die Frage auch nicht beantworten, hat aber in jedem Fall viel dafür getan, dass auch FAZ-lesende Bildungsbürger das Revier irgendwie cool finden.

Fast vergessene Kämpfe

Nähme man den in Köln lebenden Andreas Rossmann als unbestechlichen Seismografen, dann wäre Essen immer noch so etwas wie die Hauptstadt des Ruhrgebiets. Allein neun der 43 Texte haben Essener Themen zum Inhalt, und es ist lehrreich noch einmal kompakt von fast schon vergessenen Kämpfen und frischen Hoffnungen zu lesen.

Der Erhalt der Lichtburg und der Philharmonie im alten Saalbau etwa - zweimal ein titanisches Ringen. Im Text über das Weltkulturerbe Zollverein erzählt Rossmann den beschwerlichen Weg zum Denkmal und lässt seiner Begeisterung über das Bauprinzip freien Lauf. Zur Gründung des Ruhrmuseums hat der Autor ein eher braves Stück ausgewählt. Sein erbitterter publizistischer Kampf gegen die Veränderung der Zollverein-Kohlenwäsche durch die große Rolltreppe außen und die Durchbrüche innen wird nur angedeutet, was schade ist. Rossmann kann, was den Erhalt von Denkmälern betrifft, sehr puristisch sein - ein durchaus wichtiger Widerhaken in einer Region, die sehr schnell bereit ist, sich dem Pragmatischen zu fügen. Am Hang zum Mittelmaß schien Rossmann gerade angesichts der gewaltigen Kulissen der Industrie mitunter zu verzweifeln.

Aber der Mann hat auch ein gutes Gespür fürs Aufgeblasene. Zum SANAA-Bau an der Gelsenkirchener Straße, diesem würfelgewordenes Scheitern hochfliegender „Designschool“-Pläne, hat Rossmann schon früh kritische Worte gefunden. „Der außerordentliche Bau steht nicht nur für die Zukunft von Zollverein, sondern auch dafür, wie sehr das ehrgeizige Projekt über seine Verhältnisse lebt.“

Natürlich ist Essen auch deshalb so prominent im Buch vertreten, weil keine andere Stadt des Ruhrgebiets sich so bedingungslos der Neuerfindung mit den Mitteln der Kultur verschrieben hat. Mit viel Sympathie beschreibt Rossmann etwa die Geschichte des Amerika-Hauses am Kennedyplatz, das die Stratmann-Brüder mittels Kabarett zu neuen Leben erweckten. Einst war das Haus das erste seiner Art, der Versuch der amerikanischen Besatzungsmacht, mit Architektur und der in ihr stattfindenden Kultur, die Deutschen zurück in den Kreis der westlichen Wertegemeinschaft zu holen. Warum die Stadt das zeitweilig als „Rathäuschen“ genutzte Gebäude anlässlich des EU-Gipfels 1996 unbedingt zum „Europa-Haus“ umbenennen musste, bleibt eines der Rätsel, die auch Rossmann nicht auflöst.