Essen. Sie ist das Schaf, er der Hase: So lernen sich Petra Graf aus Altendorf und Emanuel Oto aus Haifa im Internet kennen. Ihre Phantasie wird zum Kinderbuch und sie ein Paar.

Aus ihrer Internet-Bekanntschaft wurde Liebe – und aus ihrer Unterhaltung im Netz ein Kinderbuch: Petra Graf aus Essen und Emanuel Oto aus Haifa schreiben an dem dritten Band von „Joyce und Bart“ und stellen jetzt auf der Buchmesse in Leipzig Band zwei vor: Die Heubeziehungskiste. Ihre Hauptfiguren sind Schaf und Hase, mit denen sie sich durchaus identifizieren. Während das zu Hause der tierischen Protagonisten in Wiesental liegt, leben ihre Autoren inzwischen beide in Altendorf. Sie im Schafstall, wie sie ihre Wohnung nennt, er im Hasenbau, etwa 300 Meter entfernt.

Als sich die beiden kennenlernen, liegen 3000 Kilometer zwischen ihnen. Petra Graf, die in Stoppenberg zur Schule ging, später als Bekleidungsfertigerin in einer Industrienäherei arbeitete, schaltet damals ihren Rechner ein. Über den Begriff der Stadt „Essen“ findet sie online nach Isreal, wo Emanuel Oto versucht, wieder zurück ins Leben zu finden, wie der 60-Jährige, Sohn einer israelischen Mutter und eines deutschen Vaters, heute beschreibt.

Bis 2009 pflegt er seine Mutter in Haifa. Kurz nach ihrem Tod, sucht Emanuel Oto Kontakt im Internet. Erinnert sich an seine Wahlheimat Essen, gibt die Stadt ein und trifft Petra Graf. Online ist sie Joyce und sagt lachend: „Ich wollte schon immer ein Schaf sein.“ Er wird ihr Hase Bartholomeo, kurz Bart. Sie schreiben sich beim ersten Treffen vier Stunden lang. „Mir imponierte ihre sehr akkurate Ausdrucksweise“, sagt er. Sie bewundert, was er alles erlebt hat.

Emanuel Oto lebt als Kind bei seinem Vater im Münsterland, macht sein Fachabi, wird Einzelhandelskaufmann und arbeitet im Kunstgewerbe-Geschäft seines Vaters. Als der 1979 nach Kanada auswandert, bleibt sein Sohn: „Er ließ mir nichts da, weil er hoffte, dass ich so mitgehen würde.“ Stattdessen baut er Regale, und eine Firma mit 17 Mitarbeitern auf. Sie beliefern einen Baumarkt, Ikea übernimmt eines der Regale, sagt er. Dann steigt der Chef aus: „Es ging mir gesundheitlich nicht gut.“ Er plant ein Jahr Auszeit in Leipzig, wo er statt Urlaub Holzgeschäfte macht. Als seine Schwester plötzlich ins Koma fällt, kehrt er erstmals nach seiner Militärzeit nach Isreal zurück. 1995, nach dem Tod seiner Schwester, zieht er nach Altenessen, wo er bereits vier Jahre zuvor eine Wohnung hatte. Er schätzt das Ruhrgebiet, weil er „mit den Menschen besser klarkommt als im Münsterland“. Beruflich vermarktet er inzwischen Musiker: von Britney Spears bis ZZ Top, von Ariola oder Sony Music erhält er Werbe-CDs, die er verschickt. Bis seine Mutter erkrankt.

Doch Joyce und Bart treffen sich wieder

Als Petra Graf und Emanuel Oto nach ihrem Kennenlernen im Netz den Rechner ausstellen, haben sie sich nicht verabredet. Doch Joyce und Bart treffen sich wieder, einen Tag später. „Ich habe gespürt, das ist mein Schaf“, erzählt er schmunzelnd. Auch sie merkt schnell, dass sie Sympathie empfindet. Dabei will er allein bleiben und sie nach 25 Jahren Ehe erstmal auf eigenen Beinen stehen. Daraus wird nichts. Denn in drei Monaten werden ihre Online-Treffen zu 24 Geschichten. „Wir haben uns gegenseitig hochgeschaukelt“, sagt sie. Im Internet finden sie einen Lektor und eine Zeichnerin. Und Petra Graf endlich den Mut zuzugeben, dass sie Emanuel Oto sehen will. Erst da erfährt das Schaf, dass der Hase in Haifa lebt. „Ich wollte eh nach Deutschland zurück“, sagt er kurz entschlossen. Das war 2010 und er besessen von der Idee, das Buch an einen Verlag loszuwerden. Im April treffen sie sich, stellen im gleichen Jahr ihren Band 1 in Leipzig auf der Buchmesse vor: sie im Schafskostüm, er im Hasenfell. Zwei Autoren, die schreiben, weil sie sich auf Ideen bringen. Manchmal reicht ein Wort, dann rattert es los.

Sie trägt jetzt in der Mittagspause Stift und Block bei sich. Er hat sein Diktiergerät dabei, will heute beruflich israelische Musik nach Deutschland bringen. Wenn Joyce und Bart ein Bestseller werden, umso besser. Noch wissen sie nicht, wie viel sie mit dem ersten Band verdient haben. „Bis jetzt hat es nur Geld gekostet“, sagt er. Sie hingegen kann immer noch nicht fassen, dass sie Bücher schreibt. Hätte ihr das jemand vor kurzem erzählt: „Ich hätte ihm einen dicken Vogel gezeigt.“ Dabei hat sie früher Erzählungen verfasst: „Für meinen Sohn hat es gereicht“, sagt sie bescheiden. Sie selbst liest gern Thriller oder Science-Fiktion-Romane.

Morgens bringt der Hase die Zeitung aus dem Bau mit. Sie „diskutieren wild über Frieden für Palästina und Eurokrise“. Wenn sie schreiben, geht jeder an seinen Rechner, um an weiteren Geschwistern für ihr Baby zu arbeiten, wie sie ihr erstes Buch lachend nennen. Hochzeit nicht ausgeschlossen. „Wir sind zwei alte, alberne Menschen“, sagt er und nimmt ihre Hand: „So kann es weitergehen. So habe ich mir das Leben vorgestellt.“