Essen. In Essen soll ein achtjähriges Mädchen auf dem Schulweg nach Hause von einem Mann angegangen worden sein. Nun ermittelt die Polizei und mahnt zu „engagierter Sachlichkeit“. Vor der Einschulung sollten Eltern ihre Kinder über die Gefahren von sexuellen Missbrauchs aufklären, empfehlen Experten.

Die Polizei ermittelt, Eltern in Werden sind in Sorge: Vergangenen Dienstag soll ein Unbekannter am Viehauser Berg versucht haben, ein achtjähriges Mädchen auf dem Nachhauseweg von der Schule in sein Auto zu zerren. Seitdem bringen Eltern ihre Kinder zur Schule und organisieren Abhol-Gemeinschaften. Wie sollten Schulen und Eltern mit einem solchen Vorfall umgehen? Experten der Polizei geben Antworten.

„In solchen Fällen nehmen Eltern gern die Schule in die Pflicht“, sagt Bettina Schekelmann vom Kommissariat für Kriminalprävention und Opferschutz. „Aber es ist ureigene Verantwortung von Eltern, ihren Kindern die Dinge klar zu benennen, die ihnen passieren können, wenn sie sich aus der elterlichen Aufsicht heraus bewegen. Vor der Einschulung sollten Kinder über die Gefahren sexuellen Missbrauchs aufgeklärt werden.“

Und das durchaus konkret, denn vage Warnungen vor dem bösen Fremden, der ihnen Schreckliches antun könnte, führt bei Kindern eher zur Verunsicherung als zur Orientierung. Schekelmann empfiehlt, mit den Kindern den Schulweg abzugehen, ihnen Geschäfte am Weg zeigen, die sich zu „Notinseln“ deklariert haben, aber auch zum Bäcker oder in den Kiosk zu gehen und zu sagen: Hier bekommst du im Zweifel Hilfe.

Bettina Schekelmann: „Eltern müssen Kindern klar sagen: Wenn du aus dem Auto heraus angesprochen wirst, geh weiter. Bleib nicht stehen. Und das gilt eben nicht nur für Fremde.“

Auch bei Bekannten sollten Kinder nicht sofort ins Auto einsteigen

Ein bestürzend großer Anteil von sexuellen Attacken passiert im Verwandten- und Bekanntenkreis. Deshalb gilt die Regel: Auch bei Bekannten nicht ins Auto einsteigen. Es sei denn, das ist mit den Eltern abgesprochen.

Das gilt auch, wenn Bekannte vor der Schule stehen und dem Kind erklären, seine Mutter habe einen Unfall gehabt und er solle das Kind nun zum Krankenhaus fahren. Bettina Schekelmann: „In solch einem Fall sollte das Kind zurück in die Schule gehen und Hilfe holen. Manche Eltern vereinbaren mit ihren Kindern für einen solchen Fall ein Codewort.“

Wird ein Vorfall wie am Viehauser Berg in der Elternschaft bekannt, sehen sich Schulleiter oft starkem Druck ausgesetzt. „Sie sehen sich in der Verantwortung, die Eltern so schnell wie möglich zu informieren. Dabei sollten sie die Polizei erst einmal ermitteln lassen“, sagt Simone Voß vom Kommissariat 12 (Sexualdelikte).

„Eine Elterninfo aus dem Hörensagen ohne Rücksprache mit der betroffenen Familie und der Polizei ist oft kontraproduktiv“, sagt auch Peter Bechstein, der stellvertretende Kommissariatsleiter beim KK 12. „Die Reihenfolge muss sein: Erst mal zur Polizei, dann an die Eltern schreiben.“

Gerüchteküche nicht überkochen lassen

Für „engagierte Sachlichkeit“ werben Bettina Schekelmann und die Ermittler vom KK12. Information der Eltern müsse sein, weil sonst die Gerüchteküche überkoche; auf der anderen Seite könne eine übereifrige Elterninformation ebenfalls Ängste schüren.

Als vorbildlich benennen die Ermittler die Leiterin des Gymnasiums Werden, die nach einem ähnlichen Vorfall die Polizei kurzfristig zu Elternabenden eingeladen hatte.

Dass die Werdener Eltern ihre Kinder jetzt zur Schule bringen, findet die Polizei in Ordnung. Aus Erfahrung weiß Bechstein aber: „Das wird in ein, zwei Wochen vorbei sein. Nachhaltiger ist das Gespräch mit dem Kind: Was machst du eigentlich in so einem Fall?“