Essen. . Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen suchte nach einem Ausweg für die Übernahme der Behandlungskosten des an Krebs gestorbenen Patienten aus Armenien. Um die Rechnung in Höhe von 303.000 Euro zu begleichen, sollten die Städte Dortmund und Essen je 100.000 Euro zahlen. Die Uni-Klinik würde auf den Rest verzichten.

Im Rechtsstreit um die 303.000 Euro Behandlungskosten für einen krebskranken Jugendlichen aus Armenien (die NRZ berichtete) suchte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen am Donnerstag nach einem Ausweg, der moralisch vertretbar erschien: Nachdem jeder der drei Berufsrichter zunächst einen anderen Zahlungspflichtigen ausgemacht hatte und die Uniklinik aus formaljuristischen Gründen leer ausgegangen wäre, sollten die Städte Dortmund und Essen je 100.000 Euro zahlen. Die Uni-Klinik würde ihrerseits auf den Rest der Summe verzichten und zudem die nicht unerheblichen Prozesskosten tragen.

Dieser Vergleich, dem die Dortmunder Juristin sofort zustimmen wollte, kann noch von allen Beteiligten bis zum 30. August widerrufen werden. Geschieht das, entscheidet der Vorsitzende den Fall ohne weitere mündliche Verhandlung alleine.

Doch mit einem Widerruf würden die Kommunen ein Eigentor schießen. Der Richter erläuterte, dass die Klinik über den Vater des Verstorbenen eine oder beide Kommunen zwingen könnte, den kompletten Betrag als Leistung für Asylbewerber zu überweisen.

„E-mails genügen der Rechtsprechung nicht.“

Ein Rückblick: Dortmund als zentrale Anlaufstelle für allein eingereiste jugendliche Ausländer hatte den 17-Jährigen zunächst im Knappschaftskrankenhaus Bochum behandeln lassen. Dafür hatte die Kommune auch eine rechtlich bindende Kostenzusage erteilt. Doch in Bochum waren die Mediziner der Meinung, dem Patienten könne in der Uniklinik Essen, die auf Knochenmark-Transplantationen spezialisiert sei, wirksamer geholfen werden.

Ein rechtlich nicht genug geschulter Sozialarbeiter der Uniklinik Essen wandte sich deshalb an das Dortmunder Jugendamt, wo ihm die als Vormund des Jungen bestellte Beschäftigte auch bestätigte, dass die Stadt Dortmund die Behandlungskosten übernehmen werde. Sie leitete an ihn eine interne E-mail eines Fachbereichsleiters mit der entsprechenden Auskunft weiter. Für eine solche Verpflichtung ist aber eine schriftliche Anerkennung erforderlich. „Eine E-mail reicht da nicht“, betonte der Vorsitzende, „E-mails genügen der Rechtsprechung nicht.“

Eine spätere Überprüfung in der Dortmunder Verwaltung ergab jedoch, dass ab der Volljährigkeit des Erkrankten Essen örtlich für ihn zuständig sei.

Deshalb wurde auch ein weiterer Bescheid über Geldleistungen an den Betroffenen rückwirkend zurückgenommen. „Höchst fragwürdig“, kommentierte das der Richter. Klagebefugt wären aber nur der inzwischen tote Jugendliche oder seine Eltern als Erben gewesen und nicht etwa die Uniklinik.

Zur Erholung im Pflegeheim

Aber auch die Stadt Essen wäre nach Meinung der Richter zahlungspflichtig gewesen. Spätestens nachdem man eine (Aufenthalts-)Duldung ausgesprochen hatte. Die Essener Juristen waren der Meinung, ihre Stadt hätte für den Armenier erst nach seiner Entlassung aus der Uniklinik finanziell aufkommen müssen. Sie hatten aber übersehen, dass der Patient während der Behandlung einige Male zur Erholung im Pflegeheim Sonnengarten untergebracht war.

Rechtliches Fazit: Die Uniklinik Essen wird sich, wie es nicht nur in Dortmunder Kliniken längst üblich ist, vor einer erwartet kostspieligen Behandlung auf einem juristisch durchgeprüften Formblatt die Kostenzusage geben lassen. Und aus moralischen Gründen, so folgerten die Richter, hätten beide Städte und die Klinik wegen vieler eigener Fehler die Pflicht, sich die Kosten für diese teure, aber sehr notwendige Behandlung zu teilen.