Essen. Weniger als fünf Euro in der Stunde: Das Busunternehmen MM-Bus aus Essen, eine Tochter der Mesenhohl-Gruppe, soll seine Fahrer jahrelang sittenwidrig bezahlt haben. Nun ziehen sie vor das Arbeitsgericht und verlangen hohe Nachzahlungen.

Michael Dresen reicht es. Seit über vier Jahren fährt er für die Mesenhohl-Tochter MM-Bus Schülertransporte. Doch nun geht er gegen seinen Arbeitgeber gerichtlich vor. Heute treffen sich beide Parteien erstmals vor dem Arbeitsgericht.

Der 43-Jährige wirft MM-Bus mit Sitz in der Adlerstraße in Kray vor, ihn jahrelang zu Dumpingpreisen beschäftigt zu haben. Er will das Geld nachgezahlt bekommen, das ihm die Firma vorenthalten haben soll. MM-Bus fährt Behindertentransporte im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland. Bekommt dafür öffentliche Gelder (siehe Interview).

Dresen arbeitet bei MM-Bus auf 400-Euro-Basis. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag, wie er jedem Arbeitnehmer zusteht, gab es nicht. Er habe für seine Touren eine Pauschale bekommen, bezahlt wurde nur der Einsatz ab der Schule bzw. der ersten abzuholenden Person, nicht aber der Fahrtweg dorthin. Auch Wartezeiten, die häufig auftraten, wurden nicht vergütet, sagt er. „Das alles gehört jedoch zur Arbeitszeit“, sagt sein Anwalt Peter Bühner.

"Eindeutig sittenwidrig"

Bühner hat ausrechnet, dass Dresen somit jahrelang auf einen Stundenlohn von 4,64 Euro kam. „Das ist eindeutig sittenwidrig“, so der Arbeitsrechtler. Ihm stehe laut Rechtsprechung für die vergangenen drei Jahre rückwirkend der Tariflohn von über 11 Euro zu. Rund 44.000 Euro fordert Dresen nach.

Doch Dresen ist nicht der einzige MM-Bus-Mitarbeiter, der sich gegen die Bezahlung der Vergangenheit wehrt. Bühner vertritt mittlerweile 30 Fahrer und Begleitpersonen. Eine Klientin ist Brigitte Wegmann. Sie war sechs Jahre bei MM-Bus beschäftigt. Im Juni, als sie krankgeschrieben war, bekam sie die fristlose Kündigung. Einige Tage zuvor hatte sie sich bei Bühner anwaltlich beraten lassen, weil sie für ihre Zeit der Krankschreibung keinen Lohn erhielt. „Ich vermute, dass beides zusammenhängt“, sagt sie.

Keine Einigung bei Gütetermin

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Sie hat Kündigungsschutzklage erhoben und fordert ebenfalls eine Lohnnachzahlung. Bei ihr summieren sich die Forderungen auf rund 57.000 Euro. Bei einem Gütetermin kam keine Einigung zustande. „Obwohl die Richterin dringend dazu geraten hatte“ sagt Bühner. Nun wird ihr Fall im September weiter verhandelt – es sei denn, beide Seiten schließen einen außergerichtlichen Vergleich. Das Gericht bestätigte der WAZ, dass im September zwei weitere Verfahren anstehen.

„Neben der sittenwidrigen Entlohnung hat das Unternehmen die gesetzlichen Mindestarbeitsbedingungen verletzt. Es gab keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub wurde nicht gewährt, Feiertage nicht vergütet“, wirft Bühner MM-Bus vor. Geschäftsführer Mark Mesenhohl war gestern trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu erreichen.

Forderungen seit 2011

Seit die ersten Forderungen von Fahrern dem Unternehmen Ende 2011 auf den Tisch flatterten, versucht MM-Bus offenbar, die Ansprüche aus der Vergangenheit abzuschneiden. Im Januar sollten alle Mitarbeiter vor Ort eine Erklärung unterschreiben. „Was wir dort unterschreiben sollten, haben wir nicht gesehen“, berichtet Dresen. Laut Bühners Recherchen ging es wohl darum, den geltenden Tarifvertrag für die Mitarbeiter in Kraft zu setzen. Damit könnten Ansprüche, die älter als drei Monate sind, nicht mehr geltend gemacht werden. Da MM-Bus den Mitarbeitern dies nicht schriftlich und unterschrieben von der Geschäftsführung aushändigte, bleiben die Ansprüche aber bestehen, so Bühner.

Neue Verträge mit Verzichtserklärung

Aktuell biete MM-Bus allen Fahrern und Begleitpersonen einen schriftlichen Arbeitsvertrag ab 22. August an. Eine Kopie davon liegt der WAZ vor. Darin sollen sie eine Zusatzerklärung unterschreiben, wonach „das bestehende Arbeitsverhältnis bis zum 21. August 2012 ordentlich abgerechnet wurde. Sämtliche beiderseitigen Forderungen sind bis zum oben genannten Zeitpunkt abgegolten, sein sie bekannt oder unbekannt, genannt oder ungenannt“, heißt es dort.

„Diese Vereinbarung ist natürlich unwirksam“, meint Bühner. Dennoch rät er allen, die unterschrieben haben, zu prüfen, ob sie ihre Forderungen geltend machen wollen. Sonst drohen die Ansprüche binnen drei Monaten zu verfallen.

In dem neuen Arbeitsvertrag werden den Fahrern 9,50 bzw. den Begleitpersonen 9 Euro zugesichert. Auch ein Urlaub von 20 Tagen wird gewährt. All das liegt jedoch unter den tariflichen Leistungen. Außerdem soll den Mitarbeitern weiter nur der Einsatz ab Schule bezahlt werden.

"Wieder für 5 Euro"

Michael Dresen hat den Vertrag nicht unterschrieben. Er strebt einen schnellen Vergleich an. „Ich möchte dort nicht mehr arbeiten“, sagt er. Die 59-jährige Brigitte Wegmann sucht noch nach einer Arbeit. Ein Angebot als Busfahrerin hatte sie bereits:. „Wieder für 5 Euro.“