Essen.. Im Auftrag mehrerer Staatsanwaltschaften haben Zollämter mehrere Großläger des Discounters Netto durchsucht. Der Handelskonzern steht im Verdacht, Lagerarbeiter zu rechtswidrigen Niedriglöhnen zu beschäftigen. Auch Kaufland ist betroffen.
Mehrere Staatsanwaltschaften verdächtigen zwei große Einzelhandelsketten, Lagerarbeiter zu rechtswidrigen Niedriglöhnen zu beschäftigen. In ihrem Auftrag führte der Zoll am Dienstag eine bundesweite Razzia in fünf Bundesländern durch, auch in NRW. Durchsucht wurden sechs Großläger sowie Büros und Privaträume von Managern der Handelskonzerne und ihrer Partnerfirmen. Insgesamt wurden 60 Durchsuchungsbefehle vollstreckt.
Das federführende Hauptzollamt Schweinfurt nannte keine Firmennamen. Der Discounter Netto bestätigte der WAZ-Mediengruppe aber, dass an vier seiner Standorte das Hauptzollamt erschienen sei. Laut Netto habe es sich um regelmäßig stattfindende Kontrollen gehandelt, die man unterstützt habe. Bei dem zweiten Unternehmen handelt es sich laut Südwestfunk um Kaufland – wie Lidl eine Tochter der Schwarz-Gruppe.
Tariflöhne erheblich unterschritten
Die Vorwürfe haben es in sich: Es bestehe der Verdacht, dass „Tariflöhne erheblich unterschritten und Beiträge zu den Sozialversicherungen hinterzogen worden“ seien, so das Hauptzollamt. Den Konzernen wird vorgeworfen, für „den Einsatz entliehener Kommissionierer und Staplerfahrer unwirksame Werkverträge geschlossen und dadurch gesetzliche Vorgaben der Arbeitnehmerüberlassung verletzt“ zu haben.
So genannte Werkverträge sind im Einzelhandel und in der Industrie weit verbreitet. Damit werden ausgelagerte Tätigkeiten von Fremdfirmen eingekauft. Rechtlich sind sie weder an die Tarife des Auftraggebers noch an den Leiharbeits-Mindestlohn gebunden. Laut der Gewerkschaft Verdi werden sie „zunehmend und flächendeckend vor allem im Handel eingesetzt, um die Tariflöhne und selbst die Mindestlöhne der Leiharbeit zu unterlaufen“, so Verdi-Sprecher Christoph Schmitz.
Werkverträge sind gängige Praxis
Gängig seien Werkverträge für die Warenverteilzentren, aber auch zum Einräumen der Regale in den Supermärkten und Discountern. Dies werde auch von Ketten praktiziert, die bisher nicht mit Dumpinglöhnen in Verbindung gebracht worden seien, sagt der Verdi-Sprecher, ohne Namen zu nennen.
Allerdings verlangt das Gesetz, dass die beauftragten Fremdfirmen eigenständig arbeiten und ihrem Kunden gegenüber weder weisungsgebunden noch in feste Arbeitsabläufe eingebunden sind. „Im Regelfall haben die beauftragten Arbeiter aber feste Einsatzzeiten“, sagt Schmitz. Verdi habe deshalb erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit vieler Werkverträge.
Diese Zweifel hegen auch die Staatsanwälte bei den durchsuchten Logistikzentren. Sie gehen davon aus, dass die Lagerarbeiter wie klassische Leiharbeiter eingesetzt werden. Sie hätten entsprechend höhere Löhne erhalten und das Unternehmen mehr Sozialbeiträge zahlen müssen, so ihr Vorwurf. Die 450 Zollbeamten hätten „umfangreiches Beweismaterial sichergestellt“. Der mutmaßliche Schaden für die Sozialversicherung könne erst nach Auswertung der Akten beziffert werden.