Essen. . Jahre lang haben Politiker um eine Lösung für das Gelände des aufgegebenen Berufskollegs Holsterhausen gesucht. Nun wären Interessenten da - doch jetzt drohen Denkmalschutz und Stillstand.
Ein Gespenst geistert durch Holsterhausen und das heißt Denkmalschutz: Der Landschaftsverband Rheinland prüft die Denkmalwürdigkeit des ehemaligen Berufskollegs (BK) Holsterhausen. Kommt man am Ende zu einem „Ja“, dann wandert der viel diskutierte Bebauungsplan für das Areal in den Papierkorb. Selbst der mittlerweile 90-jährige Architekt Erich Morgenroth ist „überrascht“.
„Am Anfang stand uns auch der Mund offen“, gesteht Andreas Müller, stellvertretender Leiter im Essener Planungsamt. Viel wurde gerungen, bis der aktuell diskutierte Bebauungsplan soweit war, dass er der Öffentlichkeit im vergangenen Juni präsentiert werden konnte. Der Allbau könne das Gelände entwickeln, so die Grundidee, und das Schlüsselgrundstück mitten in Holsterhausen mit Wohnungen, Einzelhandel und Dienstleistungen und somit neuem Leben füllen. Vor kurzem meldete auch das Uniklinikum Interesse an, sich hier ebenfalls engagieren zu wollen.
„Wir sind mit den Verantwortlichen dort im Gespräch. Sollten wir den Zuschlag für die Fläche erhalten, ist es sicher möglich, gemeinsam unsere Vorstellungen zu realisieren“, sagt Allbau-Chef Dirk Miklikowski. Das Prädikat „Denkmalschutz“ würde er für die Fläche als „Riesen-Rückschlag“ ansehen. Der städtische Planer Andreas Müller mahnt zur Ruhe: „Man sollte gelassen abwarten. Die Stellungnahme des LVR ist eine von verschiedenen, die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens eingegangen sind.“
Was steckt hinter der Schutzwürdigkeit
Auch Uwe Kutzner, planungspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion, sieht das Projekt um eine neue Mitte in Holsterhausen nicht in Gefahr. „Ich rechne nicht damit“, sagt er: „Das ist ein Denkmal, das keiner braucht und will.“ Auch Rainer Pflugrad, SPD-Sprecher in der zuständigen Bezirksvertretung III, hofft, dass die Pläne keinen Schaden nehmen: „Da laufen die Gespräche seit dem Beschluss für den Umzug der Schule in den Norden seit 2006, und jetzt so etwas.“
Doch was steckt wirklich an Schutzwürdigkeit in dem Gebäude, dass mittlerweile einen doch recht schäbigen Eindruck macht? Schließlich steht es seit Sommer 2009 leer. Die WAZ fragte einen Fachmann: Peter Brdenk, Vorstandsmitglied beim Bund Deutscher Architekten (BDA). „Ein Denkmal muss nicht schön sein“, sagt der Architekt. „Allerdings sollte man auch aufpassen, dass man nicht einen Schatten von etwas, das einmal schützenswert war, unter Schutz stellt“, sagt er: „Wahrscheinlich ist nicht ein einziges Fenster mehr original.“
Früher wurden viele solcher Häuser gebaut
Fachtheoretisch gebe es allerdings schon Gründe, sich das ehemalige „Frauenbildungsinstitut“ – so der ursprüngliche Name – aus dem Jahr 1958/59 genauer anzuschauen: „Das Haus ist ein typisches modernes Gebäude für das Jahrzehnt ab etwa Ende der 1950er Jahre.“ Es zeichne sich aus durch die zeittypische Geradlinigkeit, die großen Fensterflächen und die blauen Platten an der Fassade. „In den 1960er Jahren wurden Unmengen solcher Häuser gebaut“, sagt Brdenk. „Wäre es ein Gebäude von Alvar Aalto würde man es erhalten.“
Ist es zwar nicht, gleichwohl ist mit Erich Morgenroth hier ein Architekt am Werk gewesen, der immerhin verantwortlich oder mitverantwortlich war für die Deutsche Schule in Athen, die Druckhäuser dieses Verlags in Erfurt und Gera und mehrere Gebäude in Essen, etwa die Jugendherberge am Werdener Pastoratsweg.
„Denkmalschutz für das Frauenfortbildungsinstitut wundert mich schon“, sagt er auf Anfrage. Den Zuschlag für den Bau bekam er seinerzeit nach einem Wettbewerb. „Ich habe versucht, die beste Lösung in Sachen Funktionalität, Übersichtlichkeit und möglichst kurzen Wegen zu finden“, so der gebürtige Essener. Für ihn hält diese Geschichte auch eine gewisse Ironie parat, wenn auch eine im Falle des Abrisses negative: Zusammen mit dem Architekten Maximilian Schneider hat er in den 1950er Jahren auch die Firmenzentrale von Investor Allbau am Kennedyplatz gebaut.