Essen. Nach dem Schlussapplaus ist für die vielen Mitarbeiter im Aalto-Theater noch lange nicht Feierabend. Die Arbeit, die dann gemacht wird, bekommen Theaterbesucher meist nicht zu sehen. Wir berichten von einem etwas anderen Opernabend zwischen Maske, Hinterbühne und dem letzten Kantinen-Pils.

Bevor sich das Aalto-Theater um kurz vor Mitternacht für ein paar Stunden schlafen legt, werden schnell noch die weißen Laken über die Sitze geworfen. Dann liegt der Zuschauerraum da, als hätte er sich für die Nacht zugedeckt. Dabei sind sind weißen Tücher bloß Vorkehrungen für den nächsten Tag.

Denn morgens um sechs beginnt für die Bühnentechniker bereits die nächste Schicht. Statt Sopran hat dann erst einmal wieder der Schlagbohrer das Wort, das kann stauben. Oper, das ist schließlich viel mehr als die zwei, drei Stunden „Rheingold“ am Abend. Das ist ein hochaufwendiger Kunst- und Handwerksbetrieb, der die Bühnenwelt jeden Tag ein bisschen neu erfindet. Heute „Rheingold“,morgen „Walküre“ und dazwischen ein paar müde Techniker, die nach dem Schlussapplaus eigentlich auch schnell unter die Decke wollen.

Der Orchestergraben ist da längst wie leer gefegt, die dicken Trommeln zur Seite geschoben und die Geigen verstaut. Aber in der von Regisseur Tilman Knabe kunstvoll zugerümpelten Wagner-Welt herrscht noch mächtig Unordnung. Die erste Putzfrau greift beherzt zu Feudel und Besen, um Walhall wieder auf Vordermann zu bringen. Und dann signalisiert ein hohes durchdringendes Klingeln auch schon, dass nun Vorsicht am Bühnenrand geboten ist. Der Eiserne Vorhang fährt hoch und trennt den Zuschaueraum von jenem ebenso komplizierten wie imponierenden Illusionsapparat, in dem auch nach dem Schlussapplaus noch lange nicht Feierabend ist. Ein Abend hinter den Kulissen des Aalto-Theaters.

Hier werden auch Tränen getrocknet

Während die letzte Ansage des Inspizienten durch die Lautsprecher scheppert, lächelt Maskenbildnerin Marion Pratzka entspannt über ihre Brille und frisiert Perücken. Das „Rheingold“ gilt mit seiner übersichtlichen Spieldauer nicht nur bei Wagner-Einsteigern als vergleichsweise entspannte Aufgabe. Bei der „Walküre“ dauert es allein viereinhalb Stunden, bis alle Damen des Ensembles geschminkt sind.

Marion Pratzka hilft auch hinterher wo sie kann. Beim Perückenabnehmen und beim Verarbeiten der Publikumsreaktionen. Die Maskenbildnerin hat hier schon viele Tränen getrocknet, auch die, die nicht in der Regieanweisung standen. Richtig weh, sagt Pratzka, tut’s aber bei der „Götterdämmerung.“ Da tragen gleich 60 Chorsänger Glatze und: „Glatze abnehmen ist wie Waxing.“

Probeläufe auf hohen Hacken

Aber an diesem Abend ist der Schmerz, wenn überhaupt, nur der Abschiedsstimmung geschuldet. Das letzte „Rheingold“ der Ära Soltesz, da darf man schon mal melancholisch werden. Ljubov Sokolova, diese menschgewordene Schlammpackung namens Erda, freut sich nach zweieinhalb Stunden trotzdem bloß noch auf die Dusche, während Rheintochter Bea Robein ein letztes Mal auf ihren Hacken in die Maske stakst. „Irre unbequem“, seufzt der temperamentvolle Mezzosopran und rupft sich die falschen Wimpern von den Augen. Ein paar Probeläufe mit dem Choreografen habe es vor der Premiere schon gegeben, erzählt Robein und präsentiert beim Beineübereinanderschlagen die imposanten Laufmaschen.

Auf Wagner folgt der Wischmop: Gabriele Niedick bringt Walhall nach der Vorstellung wieder in Schuss.
Auf Wagner folgt der Wischmop: Gabriele Niedick bringt Walhall nach der Vorstellung wieder in Schuss. © WAZ FotoPool

Dass die Rheintöchter in Tilman Knabes Inszenierung einen kunstvoll-abgerissenen Schlampenlook tragen, macht zumindest die Arbeit der Kostümabteilung leichter. Ein Riss hier, ein Löchlein da, schadet der Gesamterscheinung in diesem Fall nicht. Ansonsten freilich sind Riccarda Schmalenstroer und ihre Kolleginnen sehr viel mehr als die Flicken-Feuerwehr. Waschen, maßzuschneidern und minutenschnelles Ankleiden, das sind nur drei Disziplinen, in den Schmalenstroer und ihre Kolleginnen jeden Abend Bestzeiten aufstellen.

„Bei ,La Traviata’ sind wir praktisch durchgängig auf der Bühne“, erzählt sie und sortiert zwischen den roten, kniehohen Lederstiefeln und knappen Corsagen schon mal die Schmutzwäsche aus. Was nicht in die Reinigung oder Waschmaschine kommt, wandert auf Rollwagen zurück in den Fundus. Wie viele tausend Kleidungsstücke das Aalto im Schrank hat? Schmalenstroer zuckt die Schultern, während Francisca Devos ihr rosefarbenes „Freia“-Kostüm auf einen Berg Schmutzwäsche plumpsen lässt. Sehen wir uns gleich noch in der Kantine?

Unten, im Bauch des Opernbetriebs, hat der der beworbene Salbei-Eukalyptustee an diesem Abend keine Chance. Stattdessen werden Pils und Pommes geordert. Man befindet sich eben in einer Ruhrgebietsopernkantine und Sänger sind auch nur Menschen, die nach Feierabend noch ein bisschen entspannen wollen. Anderthalb Stunden nach Vorstellungsende ist dann auch Kantinenschluss. Und das Theater legt sich endgültig schlafen.

Aalto-Spaziergang

Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
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Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
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Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
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Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater.
Sommerpause:Ein Bilderspaziergang durch das Aalto-Theater. © WAZ FotoPool
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