Essen. Das Aalto-Theater kann am Ende dieser Saison wieder einmal auf rekordverdächtige Auslastungszahlen verweisen. Dennoch geht Intendant und Generalmusikdirektor Stefan Soltesz nicht ohne Sorgen in die Sommerpause.

Es brennt an allen Seiten. Und da denken wir in Essen zunächst nicht an die züngelnden Flammen, die in Dietrich Hilsdorfs umjubelter „Walküre”-Inszenierung im Aalto-Theater an Wotans Villa lecken. Es sind die finanziellen Perspektiven des Hauses, die nicht nur dem Intendanten und Generalmusikdirektor am Beginn der Sommerpause Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Viele Essener und auswärtige Besucher des Aalto-Theaters – und das waren in der abgelaufenen Saison weit über 180 000 Opern- und Ballettfans – fragen sich mit Stefan Soltesz, wie es angesichts der immer noch nicht gelösten Einsparungen in Millionenhöhe mit den Sparten weitergeht.

92 Prozent in der Oper, 98 Prozent Auslastung im Ballett

Renner der Saison

Mit 98,5 % Auslastung liegen „Turandot” und „Nabucco” an der Spitze der zu Ende gegangenen Spielzeit im Aalto.

Übertroffen wurden beide Inszenierungen nur geringfügig von Ben van Cauwenberghs Ballett „Hommage an Queen” mit 98,8 %. Auch die Zauberflöte (97 %), „La Boheme” (95 %) oder die Wagner-Neuproduktionen „Rheingold” und „Walküre” lagen mit über 90 % ganz oben. Die Sinfoniekonzerte in der Philharmonie kamen auf etwas über 80 % Auslastung.

Dabei könnte sich Soltesz eigentlich entspannt zurücklehnen. Er hat seine Hausaufgaben gemacht. Das heißt: Kunst auf hohem und – wie die jüngsten Kritiker-Umfragen erneut bestätigen – ausgezeichnetem Niveau geliefert. Die Auslastungszahlen in dem 1125-Plätze-Haus sind wieder traumhaft. 92 % in der Oper, die bestens besuchten Juli-Vorstellungen noch nicht mit eingerechnet. Und Ben van Cauwenbergh geht am Ende seiner ersten Essener Ballettsaison mit 98 % vom Platz. „Das ist Wahnsinn! Wo gibt es das in der näheren und weiteren Umgebung?” fragt Soltesz. Wohl wissend, dass er damit weit über NRW hinaus Maßstäbe setzt, die sonst nur Häuser mit Star-Rummel und Touristen-Bonus erreichen.

Das Damokles-Schwert seien nach wie vor die nicht ausgeglichenen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, die die Theater- und Philharmonie GmbH (TuP) mit Wucht treffen. Natürlich versuche er, auf den Sparzwang zu reagieren. „Allerdings müssen wir sehen, dass wir diese drei Millionen irgendwie bekommen”, so Soltesz. Das sei momentan viel wichtiger als die Kündigungsschutz-Forderungen, die derzeit TuP-intern kursieren. „Wenn sich finanziell nichts bessert, das wäre furchtbar.” Eigentlich könne man dann nur mit Spartenschließung oder einer kompletten Strukturänderung reagieren. Ob eine Art Stagione-System mit Blockaufführungen die Lösung wäre? Soltesz bezweifelt das. Das ginge hier am Publikum vorbei, das eindeutig die Vielfalt möchte. Außerdem seien die Kollektive, vor allem im Backstage-Bereich, ja da. Und die seien auf den Repertoire-Betrieb eingerichtet.

Soltesz hofft auf die Zeit nach den Wahlen

Kulturpolitisch hofft Stefan Soltesz auf die Zeit nach den Wahlen. „Dann muss man Farbe bekennen, ob man sich diese bestens funktionierenden Bildungsstätten der Kultur in einer Kulturhauptstadt weiter leisten will. Düsseldorf hat da beispielsweise ein politisches Signal gesetzt und den Etat der Rheinoper erhöht.” Ob er sich in Essen noch gewollt fühlt? Manche versuchten ihm, ein gegenteiliges Gefühl zu vermitteln. Festlegen mag sich der gebürtige Ungar da nicht. Feurig kämpfen wird er aber. Nicht für sich. Aber für sein Haus, sein Orchester. „Wie ein Tiger im Dschungel.” Wirkungsvolle Sätze, hinter denen aber ein echtes Anliegen steht. Das eines Künstlers, der über ein Jahrzehnt seines Lebens in dieser Stadt geackert hat, dessen Haus ganz oben steht, dem das Publikum die Türen einrennt. „Wenn man morgens und nachmittags probt, abends dirigiert, kann man nicht auch noch Sponsorengelder einsammeln.” Dafür – und für die Vertretung des Hauses nach außen – sind doch andere hohe Posten da. Schon längst sollte es ein Fundraising Büro geben. Aber darauf wartet Soltesz seit einem Jahr. „Wenn gar nichts anderes geht, werde ich mich wohl selbst auf die Socken machen müssen.” Schließlich kann er ein tolles Produkt präsentieren und verfügt mit „Aalto” über eine international angesehene Marke, um die viele andere Städte Essen beneiden.